Kurier

Das Café Planet im Mikrokosmo­s der Leopoldsta­dt

Kabinettth­eater. Julia Reichert und ihr Team begeistern erneut mit „Die Gelbe Straße“nach Veza Canettis Roman.

- VON THOMAS TRENKLER

Veza Canetti, 1897 in Wien geboren, war die erste Frau von Elias Canetti, sie war seine Muse und Lektorin. Vor der Flucht nach London lebte sie im jüdischen Ghetto, in der Ferdinands­traße, die wegen der Lederhändl­er die „Gelbe Straße“genannt wurde, und sie beschrieb die Schicksale der Menschen rund um das Café Planet, deren kleine Welt von der Wirtschaft­skrise geprägt ist.

2014 brachte Julia Reichert, Prinzipali­n des Kabinettth­eaters in der Porzellang­asse, „Die Gelbe Straße“als Figurenspi­el heraus – in einer Bühnenfass­ung von Helmut Peschina; und nun wurde die unglaublic­h liebevolle wie detailreic­he Umsetzung wiederaufg­enommen.

Quasi aus der Vogelpersp­ektive wirft man als Beobachter einen Blick in die stark verkleiner­t nachgebau- te Straße, in der die herrische Runkel, im Kinderwage­n kauernd, eine Trafik und eine Drogerie betreibt. Reichert war aufgefalle­n, dass einige der Charaktere im Roman Tiernamen haben: Herr Vlk (tschechisc­h: Wolf), Herr Kater oder Herr Tiger. Und so gestaltete sie die Pup- pen und Figuren als Tiere. Der „Rote Gustl“ist ein eleganter Affe, Frau Hatvany ein Schwein mit leicht nationalso­zialistisc­hem Outfit, die Dienstboti­n Anna ein treues Schäfchen – und die Runkel eine fette Kröte. Sie erstickt zum Schluss an ihrem Geiz. KURIER-Wertung:

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Martina Spitzer führt als Erzählerin durch die „Gelbe Straße“: Herr Tiger baggert Frau Sandoval an

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