„Diese Wahl wird im Dreikampf
KURIER-Serie. OGM-Chef Wolfgang Bachmayer: Warum die Flüchtlingsfrage alles überlagert, wer als Nr.1 startet, und was bis ins Finale noch möglich ist.
KURIER: Zwei Jahre nach Beginn der Flüchtlingskrise ist das dank des „Vollholler“-Sagers von Christian Kern wieder präsent. Wird der Streit über Mittelmeerroute und Migration wahlentscheidend werden? Wolfgang Bachmayer: Migration ist seit zwei Jahren das bestimmende Thema. Es wird durch den Wahlkampf noch mehr an Bedeutung gewinnen. Sebastian Kurz wird es weiterhin zuspitzen, um es an der ersten Stelle der politischen Agenda zu halten. Ist es auch in der Bevölkerung noch immer das Thema Nummer 1?
Es ist bei den Österreichern noch mehr ein Thema als in der Politik. Christian Kern hat als ÖBB-Boss die schnelle Weiterreise vieler Flüchtlinge ermöglicht. Sebastian Kurz ist als Außenminister frühzeitig auf Distanz zur Politik der offenen Grenzen gegangen. Eine Rollenverteilung, die im Wahlkampf wieder relevant werden könnte?
Sie wird wieder aufgefrischt werden. Kurz aktiviert das Thema bereits wieder. Kern hat einen gewissen Schwenk vollzogen, wird Kurz aber nicht einholen und schon gar nicht überholen können. Vergessen wir in diesem Kontext nicht auf Heinz-Christian Strache. Wird der FPÖ-Chef wieder radikaler werden müssen, um im Dreikampf zu reüssieren?
Strache hat sich in den letzten Monaten zurückgezogen, sich staatsmännischer gegeben und bei diesem Thema die Bühne den anderen überlassen. Der sich zuspitzende Streit zwischen Kern und Kurz spielt Strache und den Freiheitlichen aber automatisch in die Hände. Strache als lachender Dritter?
Seine Ziel wird sein, die bis dato quasi Alleinkompetenz der FPÖ in puncto Zuwanderungskritik, die zurückreicht bis zu Haiders Volksbegehren „Österreich zuerst“, zu reaktivieren. Wenn er sich in den Kompetenzstreit Kern und Kurz zu viel einschaltet, wird es dissonant. Ich glaube, Strache wird das Thema mit anderen Mitteln wieder besetzen. Etwa damit, dass die Integration der zweiten und dritten Zuwanderergeneration nicht gelungen ist. Laut Statistik Austria spricht die dritte Generation der Zuwanderer daheim weniger Deutsch als ihre Eltern und Großeltern. Es geht auch um Fragen der Leitkultur und Versäumnisse der Vergangenheit. Es würde mich nicht wundern, wenn Strache die Zuständigkeit von Sebastian Kurz als Integrationsstaatssekretär thematisieren wird. Jeder wird die Haltung des anderen bei diesem und anderen Themen auf den Prüfstand stellen. Derzeit profitiert die FPÖ aber in erster Linie vom Schlingerkurs der Roten über ihr Haltung zu den Blauen. Welche Themen werden wahlentscheidend sein?
Erstens: Flüchtlinge, Zuwanderung und Integration. Zweitens: Soziales wie Pensionen, Pflege und Mindesteinkommen. Und drittens der Bereich Wirtschaft und hier vor allem Arbeitsplätze. Die Zuwanderung bleibt Hauptthema, zumal nahezu alle anderen Themen damit in Verbindung gebracht werden können. Vor zehn Jahren wünschten sich acht Prozent der Österreicher einen „starken Mann“– 2016 waren es 43 Prozent. Wird demgemäß die Persönlichkeit des Politikers und nicht dessen Programm die wichtigste Rolle spielen?
Die Personifizierung wird in diesem Wahlkampf so stark sein wie nie zuvor. Inszenierung, Pose, Erscheinungsbild und Rhetorik werden eine maßgebliche Rolle spielen, zumal es so viele TV-Debatten wie nie geben wird. Es wird kaum neue Themen geben. Die Kritik von Sebastian Kurz an den islamischen Kindergärten beispielsweise ist nichts Neues, aber er hat es nun wieder nachgeschärft. Kurz’ Statthalter in Wien, Gernot Blümel, kritisiert dies wie seit Langem auch die FPÖ. Haben die jüngsten Wahlen in Großbritannien und Frankreich Auswirkungen auf Österreich – Stichwort Macron-Effekt?
In Großbritannien hat eine traditionelle Partei gewonnen, in Frankreich eine Bewegung. Diese Hypes, egal, ob Partei oder Bewegung, haben alle ein Ablaufdatum, die extrem hochgesteckten Erwartungen sind unerfüllbar. Bei Macron wird sich bald die Frage stellen, ob die Bewegung mit den vielen neuen Gesichtern die notwendige Professionalität und Disziplin aufweisen wird. Auch in Österreich haben wir schon erlebt, dass Neugründungen oder völlige Loslösung von der herkömmlichen Parteienlandschaft keinen langen Bestand haben. Unter der Prämisse, dass die Glaubwürdigkeit der Person und das Thema Migration die Wahl entscheidet: Wer hat hier derzeit die besten Karten?
Sebastian Kurz, der momentan eine HypePhase erlebt. Seine Strategie ist klug und durchdacht, zumal er den Vizekanzler ablehnte, sich nicht in die Tagespolitik einmischt. Der Nimbus des mächtigsten ÖVP-Mannes aller Zeiten, begehrter Gast in Talkshows in Deutschland, haftet ihm noch an. Es ist aus seiner Sicht völlig richtig, dass er sich aus den Niederungen des Tagesgeschäftes heraushält. Die Frage ist, wie lange das gelingt.