„Man liebt den Naschmarkt Lokalaugenschein.
Zu teuer, zu eintönig: Der Wiener Naschmarkt steht in der Kritik. Was sind die Ursachen?
Die Temperaturen steigen, am Wiener Naschmarkt herrscht Hochbetrieb. Bis zu 66.000 Personen pro Woche besuchen den berühmtesten Markt Österreichs. Ein Wert, von denen viele Händler anderer Märkte der Stadt nur träumen können. Der Naschmarkt ist eine Ikone, eine Sehenswürdigkeit.
Doch seit einiger Zeit ist Unzufriedenheit zu spüren. In den Medien und Internetforen häuft sich die Kritik: Der Naschmarkt sei überteuert. Die Vielfalt der Waren nehme ab, der Handel würde von der Gastronomie verdrängt. Kurz: der Markt stirbt.
Und was sind die Ursachen? Und ist die Situation wirklich so düster?
Sie stehen mittlerweile symbolisch für alles, was am Markt falsch läuft: Oliven, Antipasti und Trockenfrüchte. Das Angebot ist von Stand zu Stand kaum mehr zu unterscheiden.
Der Grund dafür ist nicht zu übersehen: Untertags drängen Massen von Touristen durch die engen Gassen des Markts. „Hauptsächlich sind unsere Kunden hier Touristen, damit muss man klarkommen“, sagt Ibrahim Lashin, dessen Familie drei Delikatessenstände im „hinteren“Teil des Markts in Richtung Kettenbrücke betreibt. „Die Touristen kaufen entweder Süßigkeiten wie Baklava oder Trockenfrüchte, etwas, das schnell zu essen ist“, sagt Lashin. Hinzu kommt, dass diese Produkte lange haltbar sind, das Risiko für die Standler ist geringer als etwa im Gemüseverkauf.
Das erklärt, warum am Naschmarkt Trockenfrüchte und Wasabinüsse dominieren, aber nicht, warum alle dasselbe verkaufen. „ Am Naschmarkt ist das große Problem, dass die Leute zuerst schauen, was der Nachbar macht, und das dann einfach kopieren“, sagt der gebürtige Ägypter Mostafa El Hamrawi, der größte Händler von Gewürzen am Markt. „Die Leute haben einfach kei- ne Ideen, damit schadet man sich selbst und den Nachbarn.“El Hamrawi betreibt neben dem „Gewürzeck“auch das Lebensmittelgeschäft „Asia Punkt“und den Süßigkeiten-Shop „Sweet Dreams“im „vorderen“Drittel des Markts nahe dem Karlsplatz. Hier gebe es noch Vielfalt, sagt Hamrawi. Dieser Teil des Markts gilt seit jeher als Anlaufstelle für die betuchtere Klientel. Das Phänomen schlägt sich auch auf die Gemüsepreise nieder
Tatsächlich ist auch die Antipasti-Dichte im hinteren Teil des Markts höher als im vorderen, seit viele Obst und Gemüse-Händler umgesattelt haben. Mit den Einheimischen alleine konnten viele kein Auslangen mehr finden.
Das Gastro-Dilemma
Die Gastronomie hingegen zieht die Wiener an. Sie ist der mit Abstand lukrativste Geschäftszweig. Am Markt gäbe es nach einhelliger Meinung keine Händler mehr, wenn die Stadt die Gastronomie im Jahr 2006 per Marktordnung nicht auf ein Drittel beschränkt hätte. Damit auch die Händler am Boom mitnaschen können, dürfen sie mit höchstens acht Sitzplätzen auch Gastronomie betreiben. Die Regelung führte dazu, dass gut die Hälfte der Stände heute in irgendeiner Form auch bewirtet. Nicht selten wird der Handel mit Waren hintangestellt.
Ablösen zu hoch?
In der Debatte um die Vielfalt am Markt spielt ein weiterer Aspekt eine Rolle: Die hohen Ablösesummen, die für Naschmarktstände mittlerweile bezahlt werden. Für einen Stand mit 20 Quadratmeter werden schon einmal 200.000 Euro verlangt, wie Annoncen zeigen. Könnte das ebenfalls Auswirkungen auf das Markt-Angebot haben?
„Jetzt ist der Punkt gekommen, wo man sagt, es muss sich etwas radikal ändern“, sagt die Grünen-Aktivistin Susanne Jerusalem, die in der Mariahilfer Bezirkspartei für den Naschmarkt zuständig ist. Die hohen Ablösen würden in keinem Verhältnis zum erwartbaren Umsatz eines Gemüsestands stehen. Jerusalem vermutet, dass mit Ablösen am Markt auch Spekulation betrieben werde, auf Kosten der Vielfalt.
Tatsächlich gehört der Grund des Naschmarkts und der überwiegende Großteil der Gebäude der Stadt Wien. Wechselt ein Stand den Betreiber, werden in der Regel Ablösen verlangt, doch die Stadt Wien hat das letzte Wort. Jerusalem fordert, dass die Stadt künftige Standbetreiber genauer abklopft und Ablösen einen Riegel vorschiebt.
„Ganz normal“
Am Markt selbst stößt die Idee auf Widerstand: „Das Ablösen von Betrieben gehört ganz normal dazu, so wie überall in Wien“, sagt etwa Naschmarkt-Urgestein Mario Berber, der einen Gemüsestand nahe der Schleifmühlgasse betreibt. Viel mehr ärgern ihn die Touristen, die höchstens einmal einen Apfel kaufen.
Dass Naschmarktstände auf Immobilienportalen auftauchen, dürfte ohnehin eher die Ausnahme sein. Wer einen Stand aufgibt, fragt in der Regel zuerst Nachbarn