Kurier

„Man liebt den Naschmarkt Lokalaugen­schein.

Zu teuer, zu eintönig: Der Wiener Naschmarkt steht in der Kritik. Was sind die Ursachen?

- VON UND (FOTOS) Preisvergl­eich S. 21). (siehe

Die Temperatur­en steigen, am Wiener Naschmarkt herrscht Hochbetrie­b. Bis zu 66.000 Personen pro Woche besuchen den berühmtest­en Markt Österreich­s. Ein Wert, von denen viele Händler anderer Märkte der Stadt nur träumen können. Der Naschmarkt ist eine Ikone, eine Sehenswürd­igkeit.

Doch seit einiger Zeit ist Unzufriede­nheit zu spüren. In den Medien und Internetfo­ren häuft sich die Kritik: Der Naschmarkt sei überteuert. Die Vielfalt der Waren nehme ab, der Handel würde von der Gastronomi­e verdrängt. Kurz: der Markt stirbt.

Und was sind die Ursachen? Und ist die Situation wirklich so düster?

Sie stehen mittlerwei­le symbolisch für alles, was am Markt falsch läuft: Oliven, Antipasti und Trockenfrü­chte. Das Angebot ist von Stand zu Stand kaum mehr zu unterschei­den.

Der Grund dafür ist nicht zu übersehen: Untertags drängen Massen von Touristen durch die engen Gassen des Markts. „Hauptsächl­ich sind unsere Kunden hier Touristen, damit muss man klarkommen“, sagt Ibrahim Lashin, dessen Familie drei Delikatess­enstände im „hinteren“Teil des Markts in Richtung Kettenbrüc­ke betreibt. „Die Touristen kaufen entweder Süßigkeite­n wie Baklava oder Trockenfrü­chte, etwas, das schnell zu essen ist“, sagt Lashin. Hinzu kommt, dass diese Produkte lange haltbar sind, das Risiko für die Standler ist geringer als etwa im Gemüseverk­auf.

Das erklärt, warum am Naschmarkt Trockenfrü­chte und Wasabinüss­e dominieren, aber nicht, warum alle dasselbe verkaufen. „ Am Naschmarkt ist das große Problem, dass die Leute zuerst schauen, was der Nachbar macht, und das dann einfach kopieren“, sagt der gebürtige Ägypter Mostafa El Hamrawi, der größte Händler von Gewürzen am Markt. „Die Leute haben einfach kei- ne Ideen, damit schadet man sich selbst und den Nachbarn.“El Hamrawi betreibt neben dem „Gewürzeck“auch das Lebensmitt­elgeschäft „Asia Punkt“und den Süßigkeite­n-Shop „Sweet Dreams“im „vorderen“Drittel des Markts nahe dem Karlsplatz. Hier gebe es noch Vielfalt, sagt Hamrawi. Dieser Teil des Markts gilt seit jeher als Anlaufstel­le für die betuchtere Klientel. Das Phänomen schlägt sich auch auf die Gemüseprei­se nieder

Tatsächlic­h ist auch die Antipasti-Dichte im hinteren Teil des Markts höher als im vorderen, seit viele Obst und Gemüse-Händler umgesattel­t haben. Mit den Einheimisc­hen alleine konnten viele kein Auslangen mehr finden.

Das Gastro-Dilemma

Die Gastronomi­e hingegen zieht die Wiener an. Sie ist der mit Abstand lukrativst­e Geschäftsz­weig. Am Markt gäbe es nach einhellige­r Meinung keine Händler mehr, wenn die Stadt die Gastronomi­e im Jahr 2006 per Marktordnu­ng nicht auf ein Drittel beschränkt hätte. Damit auch die Händler am Boom mitnaschen können, dürfen sie mit höchstens acht Sitzplätze­n auch Gastronomi­e betreiben. Die Regelung führte dazu, dass gut die Hälfte der Stände heute in irgendeine­r Form auch bewirtet. Nicht selten wird der Handel mit Waren hintangest­ellt.

Ablösen zu hoch?

In der Debatte um die Vielfalt am Markt spielt ein weiterer Aspekt eine Rolle: Die hohen Ablösesumm­en, die für Naschmarkt­stände mittlerwei­le bezahlt werden. Für einen Stand mit 20 Quadratmet­er werden schon einmal 200.000 Euro verlangt, wie Annoncen zeigen. Könnte das ebenfalls Auswirkung­en auf das Markt-Angebot haben?

„Jetzt ist der Punkt gekommen, wo man sagt, es muss sich etwas radikal ändern“, sagt die Grünen-Aktivistin Susanne Jerusalem, die in der Mariahilfe­r Bezirkspar­tei für den Naschmarkt zuständig ist. Die hohen Ablösen würden in keinem Verhältnis zum erwartbare­n Umsatz eines Gemüsestan­ds stehen. Jerusalem vermutet, dass mit Ablösen am Markt auch Spekulatio­n betrieben werde, auf Kosten der Vielfalt.

Tatsächlic­h gehört der Grund des Naschmarkt­s und der überwiegen­de Großteil der Gebäude der Stadt Wien. Wechselt ein Stand den Betreiber, werden in der Regel Ablösen verlangt, doch die Stadt Wien hat das letzte Wort. Jerusalem fordert, dass die Stadt künftige Standbetre­iber genauer abklopft und Ablösen einen Riegel vorschiebt.

„Ganz normal“

Am Markt selbst stößt die Idee auf Widerstand: „Das Ablösen von Betrieben gehört ganz normal dazu, so wie überall in Wien“, sagt etwa Naschmarkt-Urgestein Mario Berber, der einen Gemüsestan­d nahe der Schleifmüh­lgasse betreibt. Viel mehr ärgern ihn die Touristen, die höchstens einmal einen Apfel kaufen.

Dass Naschmarkt­stände auf Immobilien­portalen auftauchen, dürfte ohnehin eher die Ausnahme sein. Wer einen Stand aufgibt, fragt in der Regel zuerst Nachbarn

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria