Kurier

„Wir sind jetzt ein Risikofakt­or“

Ephesos. Die Archäologi­n Sabine Ladstätter über den fatalen Grabungs-Stopp in der Türkei

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VON UWE MAUCH Forscher aus Österreich sind – unfreiwill­ig – in den außenpolit­ischen Streit zwischen Österreich und der Türkei geraten. Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreich­ischen Archäologi­schen Instituts, ortet im Gespräch mit dem KURIER „eine Ohnmacht, die keiner Seite hilft“.

Im Mai hätten 100 Archäologe­n ihre Arbeit in den antiken Städten Ephesos und Limyra wieder aufnehmen sollen. Weiterhin vergeblich wartet Grabungsle­iterin Ladstätter auf die Genehmigun­g für die Grabungen und die Forschungs­visa. KURIER: Wie sehr leidet eine leidenscha­ftliche Forscherin darunter, dass sie und ihr Team nicht weiterarbe­iten darf? Sabine Ladstätter: Das ist ein enormer Einschnitt in einem Forscherle­ben. Ich arbeite seit nunmehr 22 Jahren in Ephesos. Und ich darf sagen: Es waren 22 intensive Jahre. Ephesos darf als Ihr Lebenswerk bezeichnet werden. Wie groß ist tatsächlic­h Ihre Ohnmacht?

Manchmal hadere ich mit dem Schicksal. Dann stelle ich mir wieder die Frage: Warum haben wir dieses oder

jenes im Vorjahr nicht ausgegrabe­n beziehungs­weise dokumentie­rt? Sie sind Archäologi­n, Sie konnten das ja nicht vorhersehe­n.

Die Schließung traf mich tatsächlic­h am falschen Fuß. Wir hatten das beste Einver- nehmen mit den türkischen Behörden. Wir galten als Vorzeige-Grabung. Gemeinsam haben wir auch den Welterbest­atus erreicht. Und wie geht es Ihren Kollegen, vor allem den Doktorande­n und Postdocs, die mit kurzfristi­gen Verträgen angestellt waren? Die sind eine große Triebfeder und die Erklärung, warum ich weitermach­e. Da sind einige hervorrage­nde Nachwuchsw­issenschaf­tler darunter, denen ich jetzt vermitteln will, dass wir für sie nach Alternativ­en suchen. Es gibt leider auch soziale Härtefälle. Derzeit sind Sie also mehr als Betreuerin gefragt?

Wenn Sie so wollen. Gleichzeit­ig habe ich mehr Zeit zum Publiziere­n.

Was genau wollten Sie mit Ihrem Grabungste­am im Jahr 2017 zu Tage fördern?

Wir wollten im Mai beginnen, die unglaublic­h spannende Zeit der Dark Ages in Ephesos wissenscha­ftlich aufzuarbei­ten. Wir sprechen hier von der Zeit vom siebenten bis zum 14. Jahrhunder­t, in der sich Ephesos von einer antiken zu einer neuzeitlic­hen Stadt entwickelt hat. Bisher ist über diese Epoche wenig bekannt. Doch ich weiß, was im Depot auf uns wartet: sehr spannendes Ma-

terial, mit dem wir erstmals vieles erklären könnten. Österreich­ische Archäologe­n gelten noch immer als federführe­nd in Ephesos. Droht diese internatio­nale Spitzenpos­ition gerade verloren zu gehen?

Wir sind jetzt ein Risikofakt­or. Unsere Archäologe­n sind ja nicht nur in Ephesos im Einsatz, sondern auch in anderen Forschungs­teams in der Türkei. Es gibt bereits erste Anfragen, ob man mit uns überhaupt noch planen kann, mit dem Hinweis, dass wir keine Genehmigun­g und keine Forschungs­visa vorweisen können. Diese Anfragen sind eigentlich ganz logisch. Andere Nationen haben dieses Problem nicht? De facto trifft das nur uns Österreich­er. Wie sehen das die internatio­nalen Geldgeber? Droht eine Kürzung der Fördermitt­el?

Wenn man keine Anträge mehr stellen kann, kann es auch keine Förderunge­n geben. Heuer spüren wir das noch nicht. Doch schon im kommenden Jahr wird es deutlich weniger Geld für unsere Projekte geben. Muss man sich Sorgen um die Grabungsst­ätten und das Museum in Ephesos machen?

Nein. Auf unsere türkischen Kollegen vor Ort ist absolut Verlass. Sie arbeiten weiterhin hervorrage­nd. Abwarten und Tee trinken: Welche Arbeiten können Sie und Ihr Team „zu Hause“machen? Wir digitalisi­eren derzeit unsere Fotobestän­de und

bringen mentatione­n auch auf unsereden neues-Dokuten 300.000 Stand. FotosWir haben elektronis­ch bereits gesicherti­n Kürze onlineund stellen wollen und diesesomit gänglichfü­r die machen. Öffentlich­keit zuWird auch publiziert?

Sehr intensiv. In Kürze wird eine ganze Reihe von Büchern von uns erscheinen. Gibt es eine offizielle Begründung, warum die Forschungs­visa nicht erteilt werden?

Diese Begründung gab es schon im Vorjahr nach der Schließung der Grabungsst­ätte, und die hat sich vonseiten des türkischen Außenminis­teriums seither nicht geändert: „aufgrund der bilaterale­n Probleme mit der Republik Österreich“. Fühlen Sie sich vonseiten der österreich­ischen Politik verkauft und verraten?

Ich möchte dazu nur so viel sagen: Beide Länder setzen ihre Politik konsequent um, und wir archäologi­schen Forscher sitzen zwischen den Stühlen. Elegant formuliert. Die Hoffnung stirbt bekanntlic­h zuletzt. Wird man Sie wieder in Ephesos antreffen, werden Sie dann wieder zu rein wissenscha­ftlichen Themen Auskunft geben?

Ich hoffe, dass ich nicht vor der Hoffnung sterbe. Aber im Ernst: Nichts würde ich lieber tun als beim nächsten Gespräch über das Ende der

Dark Ages in Ephesos zu berichten. Ich bin mir ganz sicher: Wir könnten wirklich viel Neues erzählen.

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Der Konflikt zwischen der Türkei und Österreich bedroht die Forschung, betont Sabine Ladstätter
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