Wenn die Musik der Sieger ist
Kritik. Die Sommernachtsgala in Grafenegg als sehr berührender Auftakt zur Festspielzeit
Darf man es ganz emotional sagen? Die Sommernachtsgala in Grafenegg 2017 wird lange, sehr lange im Gedächtnis bleiben. Und das hat diesmal nicht nur mit der musikalischen Seite, sondern auch mit der menschlichen Komponente zu tun.
Nicht, dass der traditionelle Auftakt zum Kultursommer – ORF 2 war wie jedes Jahr live-zeitversetzt dabei – künstlerisch zu wenig geboten hätte. Ganz im Gegenteil. Im Mittelpunkt stand jedoch der wunderbare russische Bariton Dmitri Hvorostovsky, der mit seinem Auftritt eines bewies: Die Musik ist stärker alles alles andere.
Unpässlich
Doch der Reihe nach: Eigentlich hätte zum Start des von Starpianist Rudolf Buchbinder geleiteten Musikfestivals Grafenegg die georgische Pianistin Khatia Buniatishvili den ersten Satz aus Tschaikowskys „Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll“spielen sollen. Das tat Buniatishvili (dem Vernehmen nach nicht sonderlich gut) auch bei der Voraufführung. Bei der Gala selbst ließ sich die Künstlerin aber wegen „Unpässlichkeit“entschuldigen. Soll so sein. Denn damit war der Weg frei für Dmitri Hvorostovsky und Aida Garifullina, die das Publikum am Wolkenturm regelrecht verzauberten.
Vor allem Dmitri Hvorostovsky, der bekanntlich gegen eine sehr schwere Krankheit ankämpft, der deshalb viele Engagements absagen musste und muss, wurde zum umjubelten Star der von Barbara Rett gewohnt charmant moderierten Gala.
Unvergesslich
Mit Garifullina sang Hvorostovsky das Duett „Là ci draem la mano“aus Mozarts „Don Giovanni“, ehe er mit der Arie des Rigoletto aus Verdis gleichnamiger Oper für Furore sorgte. Dieses „Cortigiani“bleibt unvergesslich, da Hvorostovsky nicht nur seine singuläre Stimme, sondern seine ganze Seele in den Dienst der Musik stellte. Verdis Hofnarr – so intensiv wurde er (in wenigen Minuten) selten auf die Bühne ge- bracht. Das können nur die ganz Großen!
Doch auch beim neapolitanischen Lied „Passione“oder beim russischen Volkslied „Schwarze Augen“war Hvorostovsky eine Klasse für sich. Chapeau! Und auf ein baldiges Wiederhören!
Aida Garifullina wiederum brachte ein inniges „Wiegenlied“aus Tschaikowskys Oper „Mazeppa“zu Gehör, tänzelte beim Walzer der Musette aus Giacomo Puccinis „La Bohème“kokett durch das Publikum und erntete auch für ihre (gute) Interpretation des Klassikers „Mattinata“viel Applaus.
Unverkrampft
Für die solide musikalische Basis all dieser stimmlichen Höchstleistungen sorgte das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter der Leitung von Chefdirigent Yutaka Sado, der sehr unverkrampft an alle melodischen Herausforderungen heranging. Der „Kosakentanz“aus „Mazeppa“, die Ouvertüre zu „Don Giovanni“, das so herrliche Intermezzo aus Mascagnis „Cavalleria rusticana“, die Ouvertüre zu Verdis „La forza del destino“– die Tonkünstler und Sado wandelten souverän auf den Spuren der klassischen Ohrwürmer.
Zum Finale gab es noch die „Moskauer Nächte“, von Garifullina und Hvorostovsky mit Seele gestaltet, ehe mit Elgars „Pomp and Circumstance“inklusive Feuerwerk diese Sommernachtsgala ihr würdiges Finale fand. Grafenegg 2017 kann beginnen, denn der Auftakt machte Lust auf mehr.