Ein „Orpheus in der Unterwelt“für das Zeitalter der Smartphones
Kritik. Ein Berg ungewaschenes Geschirr, Alltagsmief statt Feierlaune – Eurydike ist frustriert von ihrer Ehe mit Orpheus. Ganz anders als in der antiken Vorlage entwickelt sich die berühmte Liebesgeschichte in Offenbachs Operetten-Knaller „Orpheus in der Unterwelt“, zu sehen in der Sommerarena Baden als erste Produktion unter dem neuen Intendanten Michael Lakner. Dafür hat Ulrike Beimpold (auch Regie) eine neue Textfassung erarbeitet, die die Story unangetastet lässt, doch veraltetes Zeitkolorit durch Seitenhiebe auf die heutige handyverliebte Konsumgesellschaft ersetzt. Die Dialoge sind witzig, pointiert, charmant – nur manchmal etwas zu lang geraten.
Höllengalopp
Als Fels in der musikalischen Brandung führt Franz Josef Breznik sein Orchester immer wieder zu beeindruckenden Steigerungen, bis hin zum „Höllengalopp“, dem furiosen Cancan. Hier zeigt sich auch das Ballett in Bestform. Choreograf Michael Kropf hat merkliche Auf bauarbeit geleistet.
Mit Ilia Staple steht eine Eurydike erster Qualität auf der Bühne; sie bleibt an Intensität, Strahlkraft, Höhensicherheit, aber auch an Spielfreude nichts schuldig.
Dass böse Buben auch etwas Attraktives an sich haben, bewahrheitet sich an Gustavo Quaresma als Pluto mit geschmeidigem Tenor und höllischem Sex-Appeal. Alexandru Badea (Orpheus) erweist sich als versierter Violinvirtuose – die Dialogprosa hingegen holpert.
Für Jupiter ist Georgij Makazaria aufgeboten, der mit enormer physischer Präsenz punktet. Der restliche Götterhimmel gefällt, vom hyperaktiven Cupido Gabriele Schuchter bis zur glamourösen Venus Bettina Schweiger. Starken Beifall erntet Franz Suhrada für seinen rührend verliebten Hans Styx.