Klimt durch die Antike modern gezeigt
Ausstellung. „Klimt und die Antike. Erotische Begegnungen“(bis 8. 10.) in der Orangerie im Unteren Belvedere
Kann man zu Gustav Klimt überhaupt noch etwas Neues zeigen? Absolut. Sogar Überraschendes.
Ein „Glücksfall“ist die noch von Agnes Husslein initiierte Schau im Unteren Belvedere für Direktorin Stella Rollig. Und dass hier der der Star des Jugendstils in Wien erstmals durch die Antike modern gezeigt wird, klingt nur wie ein Widerspruch, ohne einer zu sein.
Eine „Sternstunde des Kuratorischen“(Rollig) hat’s möglich gemacht. Eine Kombination aus Wissen, Forschung und einem Geistesblitz , „der immer notwendig ist zu einem coup de foudre des Intellektuellen“und zur Umsetzung einer außergewöhnlichen Ausstellung.
Den Geistesblitz hatte in diesem Fall Kurator Tobias Natter, der u. a. schon „Klimt und die Frauen“(2000) im Oberen Belvedere und „Die nackte Wahrheit“der Wiener Moderne 2005 in Frankfurt gestaltet und gerade das neue Werkverzeichnis der Gemälde Egon Schieles im Taschen-Verlag herausgegeben hat.
Kunst und Archäologie
Neu ist die Faszination Antike und der Blick auf die Erotik unter dem Aspekt der Antiken-Rezeption. „Klimt und die Antike“ist als eine Entdeckungsreise zur Kunst der alten Griechen und ihrem besonderen Einf luss auf Klimt inszeniert.
Dass die Antike für ihn Inspirationsquelle war, ist bekannt. Aber wie diese Auseinandersetzung über die Jahre stattgefunden hat, wann es von der Imitation über eine Stilisierung bis zur freien Improvisation und lustvollen Paraphrase zu entscheidenden Veränderungen kam, lässt sich jetzt nachvollziehen:
Und zwar Schritt für Schritt von einer Annäherung über eine Aneignung von Formen der Antike bis zu deren Übersetzung in Klimts eigenständige Bild- sprache. Es zeigen sich erstaunliche Parallelen. Zitate lassen sich zum Ursprung – Vasen, Reliefs und anderen Vorbildern – zurückverfolgen. Wobei es um Motive, aber auch um Haltungen geht.
So zeigt etwa das Aquarell „Eintrittskabinett in die ägyptische Sammlung“(1889) von Carl Goebel die Präsentation damals im Belvedere mit dem zentral positionierten Musensarkophag und seinem markanten Frontrelief.
Der ist auch in der aktuellen Schau zu sehen. Denn er findet sich in einer allegorischer Darstellung Klimts wieder. „Er hat den Musensarkophag“, so Natter, „vermutlich genau hier im Belvedere studiert.“Und einige Elemente zitiert – etwa bei den Deckengemälden für das Burgtheater und das Kunsthistorische Museum.
Der Secessionist Klimt hat Pallas Athene zur Symbolfigur der neuen Kunst gemacht. Ihren Signet-Charakter würde man heute, so Natter, als „Corporate Identity“bezeichnen.
„Cover-Girl“auf Katalog und Plakat zur Ausstellung ist die Kithara spielende Figur „Die Poesie“, Detail aus dem 1901/’02 für die Wiener Secession gestalteten Beethovenfries: Ein Bildmotiv, das auf die Darstellung des antiken Got- tes Apollo in der griechischen Vasenmalerei zurückgeführt werden kann. Wobei Klimt hier „massiv mit der Leere als Fläche arbeitet“, so Natter.
Höhepunkt ist die von den Wiener Werkstätten gestaltete, mit erotischen Zeichnungen Klimts illustrierte Neuauflage der „Hetärengespräche des Lukian“(1907) – für Natter „das schönste Buch des europäischen Jugendstils. Und die Hetärengespräche sind von einer Freizügigkeit und mit einer Leichtigkeit geschrieben, dass sie heute noch lesenswert sind.“Auch hier zeigen sich in der klugen Gegenüberstellung von Klimt und Antike überraschende Parallelen zur alten attischen Kunst aus vorchristlicher Zeit.
Die Münchner Antikensammlung hat für das ästhetisch interessante Nebeneinander von Kunst und Archäologie zum Thema Frauenliebe sogar eines ihrer kostbarsten Exponate – eine Darstellung der Dichterin Sappho – als Leihgabe zur Verfügung gestellt.
Das Neben- und Miteinander von Altertum und Moderne wird zum Augen- und Aha-Erlebnis. Denn es gibt nichts Neues unter der Sonne. Es ist alles schon da. Sogar in der Vorvergangenheit. Erfrischend heutig.