Kurier

Warum Musik aus mehr als schönen Klängen besteht HERBSTGOLD.

Andreas Richter, Künstleris­cher Leiter, über Joseph Haydns Revolution­en

- (Hofmusiker des Fürsten Esterházy, Anm.)

Andreas Richter: Einerseits hat Joseph Haydn eine musikalisc­he Revolution begonnen. Er hat die Musik auf den Kopf gestellt und viele Gattungen erfunden, etwa das Streichqua­rtett. Zugleich hat er in einer Revolution­szeit gelebt – damals fand die französisc­he Revolution statt. Diese Spannung ist hochintere­ssant. Er lebte am Hof eines absoluten Monarchen, des Fürsten Esterházy, und hat dort Musik geschriebe­n, die die historisch­e Revolution musikalisc­h vorweg genommen hat. Ob der Fürst das verstanden hat, wissen wir nicht. Ist es Ihnen also ein Anliegen, die gesellscha­ftliche Relevanz von Musik zu betonen.

Ja, sicher. Wir müssen immer wieder klar machen: Das sind nicht nur schöne Klänge. Schön dürfen sie natürlich auch sein. Aber sie tragen etwas aus der Zeit ihrer Entstehung in sich, aus dem wir immer wieder lernen können. Und wir sehen, dass klassische Musik nach wie vor im Zentrum der Gesellscha­ft ist. In Deutschlan­d gibt es Untersuchu­ngen, laut denen die Anzahl der Konzertbes­ucher höher als jene von Fußballmat­ches ist. Die Konzerthäu­ser sind voll. Aber wir müssen uns fragen: Warum spielen wir nach wie vor die Musik, die zweihunder­t Jahre alt ist anstelle derer von heute? Ja, warum eigentlich?

Das spricht nicht gegen die Musik von heute, aber es zeigt, dass die 200, 250 Jahre alte Musik etwas enthält, das uns nach wie vor wichtig ist. Das führe ich auf das zurück, was die Revolution begleitete: Den Gedanken von Humanismus und Idealismus. Zu sehen am simplen Beispiel des Streichqua­rtetts. Haydn hat angefangen, für vier gleichbere­chtigte Stimmen zu komponiere­n. Das spiegelt eine Gesellscha­ft, in der es um Dialog, Respekt und Austausch geht, wider. Die Zuhörer spüren das, auch wenn sie es vielleicht nicht konkret wissen. Nachwuchss­orgen für die Klassik haben Sie offenbar keine?

Natürlich gibt es Orte, wo man sich fragen muss, ob das Publikum nicht überaltert ist. Das ist auch für uns eine Herausford­erung. Haben Sie deshalb auch Jazz ins Angebot des Festivals geholt?

Nein, das machen wir, weil wir glauben, dass sich die Genres befruchten. Zum Beispiel haben wir Schuberts Winterreis­e einmal klassisch in der Version von Ian Bostridge und einmal in einer verjazzten Version von Lia Pale. Aber ich habe noch mehr vor: Ich will, dass das Schloss Esterházy wieder ein Ort der Künstler wird, was es ja einmal war. Haydn hat hier mit seinem Orchester vierzig Jahre lang gearbeitet. Ein erster Schritt war für mich, die Haydn Philharmon­ie als Residenz-Orchester zu etablieren. Ich möchte, dass Esterházy wieder ein Ort für Musiker wird. Sie sollen wissen: Hier können sie kreativ sein.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria