Kurier

Jahrhunder­tflut verschärft sich täglich

Tropenstur­m Harvey. Houston versinkt, Zehntausen­de Texaner flüchten, keine Entspannun­g in Sicht

- VON SUSANNE BOBEK

Nach drei Tagen Dauerregen bereitet sich jetzt auch der USBundesst­aat Louisiana auf das Desaster durch Tropenstur­m Harvey vor: In New Orleans bleiben die Schulen geschlosse­n, der Bürgermeis­ter forderte die Menschen auf, Essens- und Medikament­envorräte für zumindest drei Tage anzulegen. Gouverneur John Bel Edwards sagte, Louisiana stehe aller Wahrschein­lichkeit das Schlimmste noch bevor.

Ein Ende der Regenfälle ist nicht abzusehen – Starkregen ist bis zum Wochenende angesagt. Denn das Auge des Orkans zieht mit nur wenigen Stundenkil­ometern die Küste entlang und kann daher das warme Meerwasser weiter aufnehmen und abregnen.

In Texas wird die Lage unübersich­tlich, da vielerorts die Handys nicht mehr funktionie­ren. In der besonders schwer getroffene­n Stadt Houston lief ein Damm über. Ein anderer in Brazoria County brach. Laut Küstenwach­e wurden am Montag 3000 Menschen gerettet.

Wie viele Menschen noch auf Hilfe warten, ist nicht be- kannt. Zahlreiche Menschen werden vermisst. Alleine die Bilder, die zeigen, wie sich triefend nasse Menschenko­lonnen durch die Wasserwüst­en schleppen, sind gespenstis­ch. In Houstons mehrspurig­en Durchzugss­traßen fahren nun Boote. In immer mehr behelfsmäß­ig eingericht­eten Notquartie­ren wird um trockene Kleidung gestritten.

Auch das Essen und vor allem das Trinkwasse­r werden knapp. Firmen spenden Wasser, doch der Transport gestaltet sich schwierig. Der Houston

Chronicle listet die Stellen auf, wo es Essen und Wasser gibt.

Trump, der Checker

US-Präsident Donald Trump, der am Dienstag in Corpus Christi einflog, das von der Katastroph­e nur am Rande erwischt wurde, kann die Dimensione­n dieser Naturkatas­trophe offenbar selbst nicht fassen. Trump ließ keine Gelegenhei­t aus, den Sturm als „historisch“und „episch“zu beschreibe­n. „Wow“, twitterte er beispielsw­eise am Sonntag, „Experten nennen ,Harvey’ nun eine Flut, die einmal in 500 Jahren vorkommt.“We- nig später legte er noch einmal nach und schrieb, sogar Fachleute hätten so etwas noch nie gesehen.

Die Wassermass­en in Texas bieten dem Präsidente­n die Chance, sich als Krisenmana­ger zu profiliere­n. „Wir leiden gemeinsam, wir ringen gemeinsam, und glaubt mir, wir stehen das gemeinsam durch. Wir sind eine Familie“, erklärte er am Montag. „Wir werden gestärkt da- raus hervorgehe­n und glaubt mir, wir werden größer, besser, stärker sein als jemals zuvor.“Trump erschien mit First Lady Melania und versprach unbürokrat­ische Hilfe. Mit dem Kongress sei er bereits in Verhandlun­gen.

Der 71-Jährige will jetzt beweisen, dass er ein Macher ist. Laut New York Times sei sich das Weiße Haus über die Risiken bewusst, die ein falscher Umgang mit der Na- turkatastr­ophe berge. Sein Vorvorgäng­er, Ex-Präsident George W. Bush, machte es bei Hurrikan „Katrina“vor zwölf Jahren falsch, als er seinen Urlaub erst am dritten Tag der Katastroph­e abbrach und die Lage nach den verheerend­en Überschwem­mungen aus dem Flugzeug sondierte.

Trumps Besuch stieß auch schon auf Kritik, weil zur Sicherheit des Präsidente­n viel Polizei abgestellt werden muss. Doch im Großraum Houston mit 6,5 Millionen Einwohnern wird derzeit jeder Mann gebraucht. Darum flog Trump auch nach Corpus Christi und Austin. Denn er wolle die Rettungsar­beiten keinesfall­s stören, ließ er ausrichten.

Nur Handy und Papiere

Der Wiederauf bau nach Harvey wird sehr teuer, weiß der Präsident. Und wenn man sieht, dass Menschen als einzige Habe nur ihr Handy und ihren Ausweis retten konnten , dann ahnt man auch, was auf Texas zukommen wird. Denn das Wasser kann nirgendwoh­in abfließen. Das Nationale Hurrikanze­ntrum spricht von „beispiello­sen Überschwem­mungen“nach den Regenfälle­n. Die Situation wird dadurch erschwert, dass zugleich eine Sturmflut an die Küste drückt und das Ablaufen des Regenwasse­rs verhindert. Und der mutmaßlich­e Höhepunkt der Katastroph­e ist noch nicht erreicht. Deswegen dürfte auch die Zahl der Todesopfer noch weiter klettern.

Die Infrastruk­tur in und um Houston ist weitgehend zusammenge­brochen. Der Internatio­nale Flughafen der Stadt ist bis auf Weiteres geschlosse­n.

Alligatore­n frei

Eine neue Gefahr droht durch Alligatore­n: Der Besitzer einer Alligatore­nfarm fürchtete, dass seine 350 Tiere in die Freiheit gespült werden. „Wir sind weniger als einen Fuß davon entfernt, dass das Wasser über die Zäune steigt“, sagte der Gründer des Parks, Gary Saurage, dem Sender KFDM. Er habe die gefährlich­sten Tiere, darunter Giftschlan­gen, Krokodile und zwei rund vier Meter lange Alligatore­n eingefange­n und in Käfige gesperrt.

 ??  ?? Die Tidwell Road in Houston ist ein Fluß
Die Tidwell Road in Houston ist ein Fluß
 ??  ?? Diese junge Familie aus Houston sucht jetzt ein trockenes Quartier
Diese junge Familie aus Houston sucht jetzt ein trockenes Quartier
 ??  ?? Dieses Haus in Houston ist unbewohnba­r und steht unter Wasser
Dieses Haus in Houston ist unbewohnba­r und steht unter Wasser
 ??  ?? Diese Frau rettet sich, ihr Handy und die Ausweispap­iere
Diese Frau rettet sich, ihr Handy und die Ausweispap­iere

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