Jahrhundertflut verschärft sich täglich
Tropensturm Harvey. Houston versinkt, Zehntausende Texaner flüchten, keine Entspannung in Sicht
Nach drei Tagen Dauerregen bereitet sich jetzt auch der USBundesstaat Louisiana auf das Desaster durch Tropensturm Harvey vor: In New Orleans bleiben die Schulen geschlossen, der Bürgermeister forderte die Menschen auf, Essens- und Medikamentenvorräte für zumindest drei Tage anzulegen. Gouverneur John Bel Edwards sagte, Louisiana stehe aller Wahrscheinlichkeit das Schlimmste noch bevor.
Ein Ende der Regenfälle ist nicht abzusehen – Starkregen ist bis zum Wochenende angesagt. Denn das Auge des Orkans zieht mit nur wenigen Stundenkilometern die Küste entlang und kann daher das warme Meerwasser weiter aufnehmen und abregnen.
In Texas wird die Lage unübersichtlich, da vielerorts die Handys nicht mehr funktionieren. In der besonders schwer getroffenen Stadt Houston lief ein Damm über. Ein anderer in Brazoria County brach. Laut Küstenwache wurden am Montag 3000 Menschen gerettet.
Wie viele Menschen noch auf Hilfe warten, ist nicht be- kannt. Zahlreiche Menschen werden vermisst. Alleine die Bilder, die zeigen, wie sich triefend nasse Menschenkolonnen durch die Wasserwüsten schleppen, sind gespenstisch. In Houstons mehrspurigen Durchzugsstraßen fahren nun Boote. In immer mehr behelfsmäßig eingerichteten Notquartieren wird um trockene Kleidung gestritten.
Auch das Essen und vor allem das Trinkwasser werden knapp. Firmen spenden Wasser, doch der Transport gestaltet sich schwierig. Der Houston
Chronicle listet die Stellen auf, wo es Essen und Wasser gibt.
Trump, der Checker
US-Präsident Donald Trump, der am Dienstag in Corpus Christi einflog, das von der Katastrophe nur am Rande erwischt wurde, kann die Dimensionen dieser Naturkatastrophe offenbar selbst nicht fassen. Trump ließ keine Gelegenheit aus, den Sturm als „historisch“und „episch“zu beschreiben. „Wow“, twitterte er beispielsweise am Sonntag, „Experten nennen ,Harvey’ nun eine Flut, die einmal in 500 Jahren vorkommt.“We- nig später legte er noch einmal nach und schrieb, sogar Fachleute hätten so etwas noch nie gesehen.
Die Wassermassen in Texas bieten dem Präsidenten die Chance, sich als Krisenmanager zu profilieren. „Wir leiden gemeinsam, wir ringen gemeinsam, und glaubt mir, wir stehen das gemeinsam durch. Wir sind eine Familie“, erklärte er am Montag. „Wir werden gestärkt da- raus hervorgehen und glaubt mir, wir werden größer, besser, stärker sein als jemals zuvor.“Trump erschien mit First Lady Melania und versprach unbürokratische Hilfe. Mit dem Kongress sei er bereits in Verhandlungen.
Der 71-Jährige will jetzt beweisen, dass er ein Macher ist. Laut New York Times sei sich das Weiße Haus über die Risiken bewusst, die ein falscher Umgang mit der Na- turkatastrophe berge. Sein Vorvorgänger, Ex-Präsident George W. Bush, machte es bei Hurrikan „Katrina“vor zwölf Jahren falsch, als er seinen Urlaub erst am dritten Tag der Katastrophe abbrach und die Lage nach den verheerenden Überschwemmungen aus dem Flugzeug sondierte.
Trumps Besuch stieß auch schon auf Kritik, weil zur Sicherheit des Präsidenten viel Polizei abgestellt werden muss. Doch im Großraum Houston mit 6,5 Millionen Einwohnern wird derzeit jeder Mann gebraucht. Darum flog Trump auch nach Corpus Christi und Austin. Denn er wolle die Rettungsarbeiten keinesfalls stören, ließ er ausrichten.
Nur Handy und Papiere
Der Wiederauf bau nach Harvey wird sehr teuer, weiß der Präsident. Und wenn man sieht, dass Menschen als einzige Habe nur ihr Handy und ihren Ausweis retten konnten , dann ahnt man auch, was auf Texas zukommen wird. Denn das Wasser kann nirgendwohin abfließen. Das Nationale Hurrikanzentrum spricht von „beispiellosen Überschwemmungen“nach den Regenfällen. Die Situation wird dadurch erschwert, dass zugleich eine Sturmflut an die Küste drückt und das Ablaufen des Regenwassers verhindert. Und der mutmaßliche Höhepunkt der Katastrophe ist noch nicht erreicht. Deswegen dürfte auch die Zahl der Todesopfer noch weiter klettern.
Die Infrastruktur in und um Houston ist weitgehend zusammengebrochen. Der Internationale Flughafen der Stadt ist bis auf Weiteres geschlossen.
Alligatoren frei
Eine neue Gefahr droht durch Alligatoren: Der Besitzer einer Alligatorenfarm fürchtete, dass seine 350 Tiere in die Freiheit gespült werden. „Wir sind weniger als einen Fuß davon entfernt, dass das Wasser über die Zäune steigt“, sagte der Gründer des Parks, Gary Saurage, dem Sender KFDM. Er habe die gefährlichsten Tiere, darunter Giftschlangen, Krokodile und zwei rund vier Meter lange Alligatoren eingefangen und in Käfige gesperrt.