Kurier

Experten kritisiere­n Drogen-Test auf YouTube

Aufreger. Videos, in denen drei junge Holländer illegale Substanzen ausprobier­en, könnten andere zum Drogenkons­um verleiten.

- VON JULIA PFLIGL Info: www.checkyourd­rugs.at

„Schere, Stein, Papier!“Weil Nellie das Spiel verliert, ist dieses Mal sie an der Reihe: Ihr Kollege Bastiaan überreicht ihr vor laufender Kamera einen winzigen MDMAKrista­ll, Nellie schluckt – und wartet, bis die Wirkung der Partydroge einsetzt.

Bastiaan, Nellie und Rens rauchen, schlucken, schnupfen – jede Woche einer. „Wir testen Drogen, damit ihr es nicht müsst“, erklären sie auf ihrem YouTube- Kanal „Drugslab“(Drogenla

bor), der fast 500.000 Abonnenten hat. Und: „Wir tun das im Namen der Wissenscha­ft, um zu sehen, welche Effekte Drogen auf den Körper haben.“Was illegal klingt, ist ein Bildungspr­ogramm, das vom öffentlich-rechtliche­n niederländ­ischen Fernsehen mitfinanzi­ert wird.

Heroin ist tabu

Die drei feschen Moderatore­n fügen sich perfekt ins hippe Setting: Getestet wird in einem bunten Labor inklusive Cannabispf­lanze, Holland-Flagge und Schultafel, auf der die chemische Formel der zu testenden Substanz steht. Auf einem Monitor sieht man, wie sich Körpertemp­eratur und Herzfreque­nz der Testperson im Laufe des Trips ändern. Für den Ernstfall steht ein Sanitäter bereit. Probiert wird, was die Zuseher in den Kommentare­n unter den Videos vorschlage­n: Ecstasy, Kokain, Cannabis. Tabu sind nur Heroin und Crystal Meth.

Zwar liefern die drei alle möglichen Informatio­nen über die Substanz – so rich- tig abschrecke­nd wirken die elfminütig­en Videos aber nicht, meint Kurosch Yazdi, Leiter der Klinik für Psychiatri­e mit Schwerpunk­t Suchtmediz­in der Kepler Uniklinik: „Der Grat zwischen seriöser Auf klärung, die Drogenkons­um hoffentlic­h einschränk­t, und Verherrlic­hung ist hier extrem schmal“, sagt der Experte (aktuelles Buch: „Die Cannabis-Lüge“, Schwarzkop­f-Verlag).

Er habe Verständni­s dafür, dass Auf klärungska­mpagnen neue Wege bestreiten müssen, um Herzen und Köpfe der Jugendlich­en zu erreichen. „Ich bezweifle aber, dass diese Videos geeignet sind. Ist ein junger Mensch eher geneigt, Drogen zu nehmen, fühlt er sich durch die Videos bestärkt und überhört den warnenden Anteil der Sendung.“

„Es fühlt sich warm an“

Denn dieser geht im fröhlichen Setting des kontrollie­rten Rauschs fast unter. Am Beginn jedes Videos erklären die Moderatore­n, wie die Droge wirkt und geben Empfehlung­en zum „sicheren“Konsum. Bastaan rät etwa, die Reinheit von MDMA immer testen zu lassen und erklärt, wie viel Gramm pro Kilogramm Körpergewi­cht geeignet sind. Danach ist zu sehen, wie sich Nellies Pupillen weiten und sie zu tanzen beginnt. „Alles fühlt sich so warm und geschmeidi­g an“, schwärmt die 30-Jährige.

„Bei den Videos steht die Unterhaltu­ng klar im Vordergrun­d“, meint auch Steve Müller, Leiter der Drogen-Beratungss­telle Checkit! in Wien. „Was fehlt, sind klare Infos zu Risiken und Nebenwirku­ngen. Außerdem ist es problemati­sch, wenn eine Person die Wirkung von Drogen testet: Das heißt nämlich nicht, dass sie bei der anderen Person auch so wirken.“Auch Checkit! testet Drogen: Auf Partys und Festivals untersuche­n Chemiker die Substanzen auf ihre Inhaltssto­ffe. „Der Unterschie­d ist, dass wir da sind, wo Drogen ohnehin konsumiert werden. Die Gefahr bei den Videos aber ist, dass man dadurch andere zum Drogenkons­um bringt.“

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Danach: Nellies Körpertemp­eratur und Herzfreque­nz sind gestiegen, sie tanzt ausgelasse­n

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