Mord im Spital: Parallelen zu Lainz
Tödliche Pflege. In Deutschland soll ein Pfleger mehr als 90 Patienten ermordet haben. Wie auch die Mordschwestern von Lainz in den 1980er-Jahren verwendete er Medikamente in Überdosierung. Seither gibt es mehr Kontrollen.
Die Meldungen über den deutschen Krankenpfleger Niels H., der mehr als 90 Patienten ermordet haben soll
(siehe unten), lassen Erinnerungen an die „Lainzer Mordschwestern“wach werden: Vier Stationsgehilfinnen im Alter zwischen 25 und 50 haben in den 1980er Jahren im Wiener Krankenhaus Lainz mindestens 42 betagte Patienten ermordet.
Hier wie da wurden überdosierte Medikamente verabreichte, entweder um sich als Retter aufzuspielen oder um „lästige“Patienten „ruhigzustellen“bzw. loszuwerden. Die Lainz-Schwestern spritzen Menschen, die nicht an Diabetes litten, Insulin, verabreichten anderen das Schlafmittel Rohypnol, alles in vielfachen Mengen. Und sie führten eine sogenannte „Mundpflege“durch, wie sie die Prozedur zynisch nann- ten, bei der Patienten mit herunter gedrückter Zunge und zugehaltener Nase ein Glas Wasser eingeflößt wurde, bis sie erstickten.
Hier wie da hätte mehr Aufmerksamkeit des verantwortlichen Klinikpersonals das Schlimmste vielleicht verhindern können: Im deutschen Fall gab es Gerüchte, dass auffällig viele Personen während den Schichten von Niels H. starben, aber niemand ging den Hinweisen nach. In Lainz starben während der Dienste der späteren Hauptangeklagten Waltraud W. sechs Mal mehr Patienten als bei anderen, aber niemand überprüfte das.
Die vier „Lainzer Mordschwestern“wurden 1991 zu zwei Mal lebenslanger bzw. 20 und zwölf Jahren Haft verurteilt. 2008 wurden die letzten beiden nach mehr als 19 abgesessenen Jahren bedingt entlassen, die beiden anderen waren bereits davor freigekommen. Sie änderten ihre Namen, ließen sich vom AMS umschulen und nahmen andere Jobs an. Eine könnte Masseurin geworden sein, sie wollte weiter als Stationsgehilfin arbeiten, zumindest aber etwas „mit Menschen zu tun haben“, wie sie damals sagte.
Die Lehren aus der Mordserie reichten von einer Umbenennung des Krankenhauses Lainz und des benachbarten Pflegeheims in Krankenhaus Hietzing und Geriatrie- zentrum am Wienerwald bis zu einem Fünf-Jahres-Plan des damaligen Wiener Gesundheitsstadtrates Sepp Rieder: Man baute Pflegezentren aus und installierte Senioren-Aufnahmestationen in Spitälern.
„Qualitätssprung“
„Wir haben aus Lainz gelernt“, sagte die Wiener Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Vor allem bei der Aufnahme des Pflegepersonals gab es –allerdings nicht speziell wegen der Vorfälle in Lainz – in den vergangenen Jahren einen „Qualitätssprung“.
Wer in Wiener Spitälern Krankenschwester oder Krankenpfleger werden will, muss ein mehrstufiges Auswahlverfahren absolvieren. Zuerst ist ein zweiteiliger schriftlicher Test abzulegen. Danach gibt es ein mehrstündiges Gespräch vor einer Kommission. „Es werden nicht nur kognitive Fähigkeiten abgeprüft, sondern auch die psychische Verfassung der Bewerber“, sagt ein Sprecher der Stadträtin.
Die „Persönlichkeitsstruktur“der Bewerber werde überprüft. Sie müssen etwa eine Einschätzung darüber abgeben, welche Persönlichkeitsmerkmale relevant für ihren Beruf sind. Konkret wird beispielsweise abgeklärt, ob die Bewerber empathiefähig sind und ob sie Aversionen hegen. Außerdem müssen sie ein Leumundszeugnis und ein ärztliches Attest über die körperliche Eignung vorweisen.
Die Verabreichung von starken Medikamenten ist im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) geregelt. Der Schrank, in dem Medikamente auf bewahrt werden, sei versperrt. Die Entnahme werde geprüft und kontrolliert. Es herrsche das Vier-Augen-Prinzip. „Dieses Prozedere verhindert Vorfälle wie in Deutschland oder auch Lainz“, heißt es dazu aus dem KAV.
Wie hoch die Dosis ist, die dem Patienten verabreicht wird, entscheide ein Arzt. Außerdem werde Protokoll geführt: Darüber, wer Medikamente entnimmt, welchem Patienten welche Medikamente verabreicht wurden sowie von wem welche Menge eines Medikaments und und wann (inklusive Angabe des Datums und der Uhrzeit) verabreicht wurde.