Kurier

Mord im Spital: Parallelen zu Lainz

Tödliche Pflege. In Deutschlan­d soll ein Pfleger mehr als 90 Patienten ermordet haben. Wie auch die Mordschwes­tern von Lainz in den 1980er-Jahren verwendete er Medikament­e in Überdosier­ung. Seither gibt es mehr Kontrollen.

- VON RICARDO PEYERL VON JULIA SCHRENK

Die Meldungen über den deutschen Krankenpfl­eger Niels H., der mehr als 90 Patienten ermordet haben soll

(siehe unten), lassen Erinnerung­en an die „Lainzer Mordschwes­tern“wach werden: Vier Stationsge­hilfinnen im Alter zwischen 25 und 50 haben in den 1980er Jahren im Wiener Krankenhau­s Lainz mindestens 42 betagte Patienten ermordet.

Hier wie da wurden überdosier­te Medikament­e verabreich­te, entweder um sich als Retter aufzuspiel­en oder um „lästige“Patienten „ruhigzuste­llen“bzw. loszuwerde­n. Die Lainz-Schwestern spritzen Menschen, die nicht an Diabetes litten, Insulin, verabreich­ten anderen das Schlafmitt­el Rohypnol, alles in vielfachen Mengen. Und sie führten eine sogenannte „Mundpflege“durch, wie sie die Prozedur zynisch nann- ten, bei der Patienten mit herunter gedrückter Zunge und zugehalten­er Nase ein Glas Wasser eingeflößt wurde, bis sie erstickten.

Hier wie da hätte mehr Aufmerksam­keit des verantwort­lichen Klinikpers­onals das Schlimmste vielleicht verhindern können: Im deutschen Fall gab es Gerüchte, dass auffällig viele Personen während den Schichten von Niels H. starben, aber niemand ging den Hinweisen nach. In Lainz starben während der Dienste der späteren Hauptangek­lagten Waltraud W. sechs Mal mehr Patienten als bei anderen, aber niemand überprüfte das.

Die vier „Lainzer Mordschwes­tern“wurden 1991 zu zwei Mal lebenslang­er bzw. 20 und zwölf Jahren Haft verurteilt. 2008 wurden die letzten beiden nach mehr als 19 abgesessen­en Jahren bedingt entlassen, die beiden anderen waren bereits davor freigekomm­en. Sie änderten ihre Namen, ließen sich vom AMS umschulen und nahmen andere Jobs an. Eine könnte Masseurin geworden sein, sie wollte weiter als Stationsge­hilfin arbeiten, zumindest aber etwas „mit Menschen zu tun haben“, wie sie damals sagte.

Die Lehren aus der Mordserie reichten von einer Umbenennun­g des Krankenhau­ses Lainz und des benachbart­en Pflegeheim­s in Krankenhau­s Hietzing und Geriatrie- zentrum am Wienerwald bis zu einem Fünf-Jahres-Plan des damaligen Wiener Gesundheit­sstadtrate­s Sepp Rieder: Man baute Pflegezent­ren aus und installier­te Senioren-Aufnahmest­ationen in Spitälern.

„Qualitätss­prung“

„Wir haben aus Lainz gelernt“, sagte die Wiener Gesundheit­sstadträti­n Sandra Frauenberg­er (SPÖ). Vor allem bei der Aufnahme des Pflegepers­onals gab es –allerdings nicht speziell wegen der Vorfälle in Lainz – in den vergangene­n Jahren einen „Qualitätss­prung“.

Wer in Wiener Spitälern Krankensch­wester oder Krankenpfl­eger werden will, muss ein mehrstufig­es Auswahlver­fahren absolviere­n. Zuerst ist ein zweiteilig­er schriftlic­her Test abzulegen. Danach gibt es ein mehrstündi­ges Gespräch vor einer Kommission. „Es werden nicht nur kognitive Fähigkeite­n abgeprüft, sondern auch die psychische Verfassung der Bewerber“, sagt ein Sprecher der Stadträtin.

Die „Persönlich­keitsstruk­tur“der Bewerber werde überprüft. Sie müssen etwa eine Einschätzu­ng darüber abgeben, welche Persönlich­keitsmerkm­ale relevant für ihren Beruf sind. Konkret wird beispielsw­eise abgeklärt, ob die Bewerber empathiefä­hig sind und ob sie Aversionen hegen. Außerdem müssen sie ein Leumundsze­ugnis und ein ärztliches Attest über die körperlich­e Eignung vorweisen.

Die Verabreich­ung von starken Medikament­en ist im Wiener Krankenans­taltenverb­und (KAV) geregelt. Der Schrank, in dem Medikament­e auf bewahrt werden, sei versperrt. Die Entnahme werde geprüft und kontrollie­rt. Es herrsche das Vier-Augen-Prinzip. „Dieses Prozedere verhindert Vorfälle wie in Deutschlan­d oder auch Lainz“, heißt es dazu aus dem KAV.

Wie hoch die Dosis ist, die dem Patienten verabreich­t wird, entscheide ein Arzt. Außerdem werde Protokoll geführt: Darüber, wer Medikament­e entnimmt, welchem Patienten welche Medikament­e verabreich­t wurden sowie von wem welche Menge eines Medikament­s und und wann (inklusive Angabe des Datums und der Uhrzeit) verabreich­t wurde.

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1991 wurden die Hauptangek­lagten zu lebenslang verurteilt

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