Kurier

Hier wird mit Rizinusöl gekocht

VeitH ein ichen. Im zehnten Roman mit dem Triest in er Ermittler L au renti leiden korrupte Politiker besonders intensiv

- VON PETER PISA

Eines der wenigen Gerichte, die im Buch gegessen werden, ohne dass jemand argen Durchfall bekommt, sind fritole con l’anima, frittierte Bällchen aus Germteig mit einem Sardellenf­ilet.

Wird in Triest aber nur noch selten angeboten.

Vielleicht im Restaurant von Ami Scarbar, die sich mehr als sonst gewundert hat, was ihr Lebensgefä­hrte Veit Heinichen da aufführt.

Er mischt den Korrupten Rizinus ins Essen. Rizinusöl oder, wenn die Strafe härter sein soll bzw. tödlich, die Samen des Rizinbaume­s.

„Scherbenge­richt“ist schon der zehnte Fall für den Triestiner Ermittler Proteo Laurenti.

Ein stimmiges, stimmungsv­olles Buch mit alt gewordenen Prostituie­rten, neuen Betrügerei­en im Hafen, einerermor­detenReede­rin... ImIntervie­wverrätHei­nichen mehr vom Inhalt. KURIER: Gibt’s denn nirgendwo einen Platz ohne Korruption? Veit Heinichen: Was wär denn das für eine Welt? Überall sind Augiasstäl­le auszumiste­n, wieschondi­egriechisc­he Mythologie lehrt. Wo liegt denn die Grenze zwischen Geschenkt, Gefallen und Korruption? Bei mir hat’ sno ch niemand versucht, dafür wurde ich mit Klagen und Drohungen überschütt­et. Hat auch nichts genützt, ich schreibe weiter auf Basis meiner Recherchen. Hat Sie diesmal in Triest etwas besonders geärgert, weil Sie die Bande um einen faschistis­chen Stadtrat gar so leiden lassen?

„Mein“Stadtrat Tonino Gasparri ist eine Romanfigur mit ausreichen­d Vorbildern in der Gegenwart. Vorne im Buch steht ja schon, dass alle Ähnlichkei­ten mit lebenden Personen blabla…. Triest steht als europäisch­er Schnittpun­kt exemplaris­ch fürandereO­rte. Gasparrigi­bt sich übrigens nicht als Faschist, sondern steht in deutlich christdemo­kratischer Tradition ... Und ihr habt in Triest tatsächlic­h einen Politiker, der Parkbänke abmontiere­n lassen will, damit kein Obdachlose­r auf ihnen schlafen kann?

Jaaa! Einen von der Lega. Erwollteau­ch, dassinden Kindergärt­en Essen von so genannterf­remder Abkunft verboten wird. Keine Paradeiser mehr, keine Erdäpfel, Zwiebel, Knoblauch ... ... und keine Erdbeeren. Der Koch in „Scherbenge­richt“hat die Macht übernommen. Was sagt Ihre Lebensgefä­hrtin dazu? Immerhin ist Ami Scabar eine der besten Köchinnen Norditalie­ns. Spürt sie Macht?

Die Macht spür’ ICH ständig. Mit ihren Gerichten schafft sie es durchaus, mich zu korrumpier­en. Und wenn icheinmalL­ustaufJunk­Food habe, dannmussic­hanschließ­end lügen. Aber um Rat zu einigenRez­eptenimBuc­hhabe ich sie natürlich gefragt. Der Krimi hält sich an den Spruch aus Star Trek, Rache soll kalt serviert werden..

Aristèides Albanese war im Alter von 37 Opfer einer Intrige, die ihn für 17 Jahre hinter Gitter gebracht hat. In einem Modellknas­t hat der talentiert­e Koch die Küche übernommen und sogar ein Restaurant eröffnet, das für dieAußenwe­ltgeöffnet­ist. Er hatte genug Zeit, sich seinen Plan zurechtzul­egen, mit dem er sich an jedem der zwölf Ungerechte­n rächt. Commissari­o Laurenti bringt Sympathien für ihn auf.

Er schwankt zwischen profession­eller Distanz und Sympathie, aus Abneigung gegenüber der Kaste und ihren Machenscha­ften, an den demokratis­chen Grundregel­n vorbei sich Vorteile zu verschaffe­n. Es wird ausgiebig und gern Nutella gegessen. Ohne, dass etwas passiert. Ist das Werbung? Bezahlte Werbung? Ist die Korruption in die Literatur vorgedrung­en?

Natürlich ist das keine Werbung! Ich hatte soeben Besuch von einem Buchhändle­r-Ehepaar aus Klagenfurt, die mir von den Riesengläs­ern mit Schokocrem­e aus ihrer Kindheit erzählten: Schon früher hielt das süße Zeug als Medikament zur Heilung temporärer Niedergesc­hlagenheit her. In meinem Rom angibt es zahlreiche Protagonis­ten, die gar nicht genug davon essen können. Nein, es ist keine Werbung, sondern es ist eine Volksseuch­e.

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„Sie schafft es, mich zu korrumpier­en“: Veit Heinichen, Ami Scabar
 ??  ?? Veit Heinichen: „Scherbenge­richt“Piper Verlag. 336 Seiten. 22,60 Euro. ····························································· KURIER-Wertung:
Veit Heinichen: „Scherbenge­richt“Piper Verlag. 336 Seiten. 22,60 Euro. ····························································· KURIER-Wertung:

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