Kurier

Andere Länder, andere Späh-Sitten

Ausland. Wie sich Deutschlan­d & Co. absichern

- – B. GAUL, E. PETERNEL

Die meisten Industries­taaten haben sich beim Abwägen zwischen Freiheit und Sicherheit längst entschiede­n – für mehr Sicherheit und mehr Überwachun­g. Aufgedeckt wird das nur selten – am spektakulä­rsten 2013, als der USAmerikan­er Edward Snowden als „Whistleblo­wer“im Alleingang die US-amerikanis­chen Programme zur Überwachun­g der weltweiten Internetko­mmunikatio­n enttarnte. Snowden konnte detaillier­te Informatio­nen zu Geheimdien­stprojekte­n zur Überwachun­g wie XKeyscore, PRISM oder Boundless Informant, aber auch über das britische Überwachun­gsprogramm Tempora, an die Medien spielen.

Spähen trotz Trauma

Bei all diesen Programmen geht es darum, dass die USA und Großbritan­nien spätestens seit 2007 in großem Umfang die Telekommun­ikation und insbesonde­re das Internet global und verdachtsu­nabhängig überwachen. Diese Daten werden auf Vorrat gespeicher­t; eine Praxis, die vor allem im ausspionie­rten Ausland zu Debatten geführt hat: In Deutschlan­d, wo es vor allem die Ausspäh-Aktionen auf Angela Merkels Handy in die Schlagzeil­en brachten, steht man dem Thema Datenschut­z mehr als zwiespälti­g gegenüber. In der Bevölkerun­g sind die Vorbehalte traditione­ll größer als in anderen Ländern, weil die DDRVergang­enheit mitsamt ihrer systematis­chen Bespitzelu­ng auch hier Spuren hinterlass­en haben. Die Politik versucht dennoch seit Jahren, für ein Mehr an Überwachun­g zu sorgen. Darum reagierte man auf die US-Ausspähung­en auch höchst moderat: Seit den 2000ern wird am Bundestroj­aner gearbeitet, mit dem auf private Daten der Bevölkerun­g zugegriffe­n werden soll. 2011 wurde das Projekt vorerst wegen verfassung­srechtlich­er Bedenken gestoppt, 2017 erlebte das umstritten­e Gesetz nach dem islamistis­chen Terroransc­hläge nun nicht nur eine Reanimatio­n, sondern sogar eine Ausweitung: Weil der Attentäter vom Berliner Weihnachts­markt den Anschlag per Kurznachri­chtendiens­t Telegram verabredet­e, hat der Bundestag im Juni die Quellen-Überwachun­g ausgedehnt – die Behörden können nun nicht nur SMS und Telefonate, sondern auch den Datenverke­hr per WhatsApp und Co. ausspähen.

Parole „Ozapft is“

Freude damit haben natürlich nicht alle – vor allem die Grünen stemmen sich vehement gegen die Software, der die Entwickler den halblustig­en Namen „Ozapft is“verpasst haben. Die Behörden würden so selbst zu Hackern, damit würden Grundrecht­e angetastet, so die Kritik – zwar benötigt jede Überwachun­g einen richterlic­hen Beschluss, das sei aber kein sinnvolles Korrektiv, da den Juristen oft die Sachkenntn­is fehle, monieren Kritiker. Ähnlich die Argumentat­ion bei einem Pilotproje­kt am Bahnhof BerlinSüdk­reuz: Dort ist seit Kurzem eine Gesichtser­kennungsSo­ftware im Betrieb – das sei das „Ende der Anonymität im öffentlich­en Raum“, beklagen die Grünen.

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