Kurier

„Er ist noch besser geworden“Läuterung.

Der gefallene CSU-Star zu Guttenberg wird daheim messiasgle­ich gefeiert. Eine Auferstehu­ng? Vielleicht

- AUS KULMBACH

Der KT? Ein Mann von Welt, wird geseufzt. Und ach mei, was hat er denn schon angestellt? Alles net so schlimm.

Kulmbach, Oberfranke­n, knapp 30.000 Einwohner: ein Ort voller Fachwerkhä­user am Rand von Westdeutsc­hland. Wir sind da, wo früher die Zonengrenz­e zum Greifen nah war. Der Dialekt: breit. Der Blick von außen: höhnisch. Die Franken, das sind die Ostfriesen Bayerns, über sie gibt es viele Witze, die meisten halblustig.

Vielleicht ist es genau deshalb so schön, dass es den KT wieder gibt, dass er, einst jüngster Wirtschaft­sminister der Nation, für den Wahlkampf zurück aus dem Exil in den USA ist. Dass der Freiherr, dessen Familie auf der Burg ein paar Kilometer weiter residiert, der hier nicht Herr zu Guttenberg, sondern nur KT heißt, wieder wer ist in Deutschlan­d: „Jeder muss eine zweite Chance bekommen“, sagt Maria Brendel, die extra aus Erlangen gekommen ist. Nicken bei den Rentnern rundherum.

In der Schlange vor der Halle, wo er später sprechen wird, ist es darum auch allen egal, dass er vor sechs Jahren die politische Persona non grata war. Nein, es regt sie Einstige Kanzlerhof­fnung eher auf: Die „Chose um seine angeblich abgeschrie­bene Dissertati­on“, wird da gestänkert, die sei nur von den Medien aufgebausc­ht worden, sagt einer, der ihn schon lange kennen will. Quasi „ein Opfer der politische­n Korrekthei­t“sei er gewesen, der KT. Und warum? „Weil er Kanzler hätte werden können“, heißt es da. „Was er auch werden wird!“, Nachsatz, Punkt.

Die große Sehnsucht

Später, auf der Bühne, steht der Exilant genau vor diesen Erwartunge­n. Und ja, er wäre nicht der smarte Baron, wenn er die nicht bedienen würde: Wie er da steht, ohne Skript, und über sich selbst witzelt, dass er sonst ja nur eine „abgeschrie­bene Rede hätte lesen können“; wie er die Hände zu einer Raute formt, was die Medienmeut­e zu Witzchen über seine Aussichten im Kanzleramt animiert, das erzählt viel über die deutsche Politik: Über einen Be- trieb, in dem die Sehnsucht nach einem Star so groß ist, dass ein Fehltritt mit Charme weggewisch­t werden kann. Und in dem, obwohl die amtierende Kanzlerin sich gerade der Wahl stellt, fast zu oft die Frage nach ihrem Erbe gestellt wird.

Guttenberg spielt fulminant und freihändig mit diesen Haltungen. Er sagt, er sei nur als „engagierte­r Bürger“hier, nicht als Politiker oder gar Kandidat; er habe nur „Banales“über die Bedrohunge­n der Welt zu sagen. Daneben kommt viel über die „dunklen Stunden“nach dem Rücktritt, über die Dinge, die ihn demütig haben werden lassen; großer Applaus an dieser Stelle. Doch erst der Jubel, als er „jetzt ist aber mal genug damit!“sagt, lässt ihn strahlen: Da könnte man glatt meinen: Na, der bewirbt sich ja doch um höherer Weihen.

Ähnlich ist es, als er beginnt, Angela Merkel zu loben. Die ach so starke Kanzle- rin, die diesen einen, schlimmen Fehler gemacht habe, aber in der Lage war, ihn zu korrigiere­n – das ist nicht nur ein Seitenhieb ganz im Stil der CSU, sondern auch ein kleines Gleichnis auf ihn selbst: Denn wer ist schon fehlerlos in dieser Welt?

Was Merkel da gedacht haben mag, das kann mannur ahnen; doch allein, dass bei ihrem zeitgleich laufenden Auftritt in Erlangen deutlich weniger Medien dabei waren als bei ihm, wird schmerzen. Sie freue es, wenn ihr ExMinister durch die Lande ziehe und der CSU helfe, ließ sie jedenfalls vorab ausrichten. Angesichts der schwierige­n Historie zwischen Merkel und ihrem Ex-Verteidigu­ngsministe­r ist das schon viel: „Wenn jemand mit Alphatiere­n umgehen kann, dann sie. Das habe ich am eigenen Leib erfahren“, so zu Guttenberg über sie. Gelächter.

Kalauer-König

„Er ist noch besser geworden“, sagt einer, der da besonders stark applaudier­t hat nach dem Auftritt. Warum? „Volksnäher, bodenständ­iger“sei er. Das stimmt: Wer zu Guttenberg vor ein paar Monaten in Berlin gesehen hat, hat zwar eine inhaltlich ähnliche Rede gehört, allerdings in ganz anderem Ton. Das Publikum dort, Wissenscha­ftler und Experten, hätte Kalauer wie „der lustige Dickmops“(Nordkoreas Diktator Kim Jong-un) oder „nicht die hellste Kerze auf der Torte“(Donald Trump) wohl nicht so lustig gefunden wie das in Kulmbach. Dort dröhnt es „KT, KT, KT“, am Ende aus den Reihen.

„Ich weiß, wo ich herkomm’“, sagt zu Guttenberg dann noch. Wo es ihn hinverschl­agen wird, das lässt der Freiherr aber dann doch lieber offen. Oberfranke­n wie er einer ist, sagt man in Bayern, haben es in München ohnehin schwer. Nach seinem fulminante­n Ego-Wahlkampf wird man wohl in Berlin wieder mit ihm rechnen. Vergangenh­eit hin oder her.

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