Kurier

100 Milliarden für Wiederaufb­au

„Harvey“. Hurrikan vermutlich teuerster Sturm in US-Geschichte / Chemiefabr­ik brennt Moskau muss mehrere Vertretung­en in USA schließen

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Eine sechsköpfi­ge Familie kam auf der Flucht vor den Wassermass­en in ihrem Van ums Leben. Das Auto wurde mitgerisse­n, Großeltern und vier Kinder im Alter von sechs bis 16 Jahren starben. Nur ihr Vater konnte entkommen.

Die Opferbilan­z derzeit: mindestens 35 Tote und 17 Vermisste. Rund 32.000 Menschen suchten Zuflucht in Notunterkü­nften, die mittlerwei­le krass überfüllt sind.

Donnerstag Früh kam es, wie erwartet, zu zwei Explosione­n in einer Chemiefabr­ik des französisc­hen Konzerns Arkema in Crosby nahe Houston. Die Fabrik steht zwei Meter unter Wasser, das Kühlsystem ist ausgefalle­n und deshalb konnten sich die Chemikalie­n erhitzen. Es war unklar, ob der bei dem Brand entstehend­e Rauch giftig ist. In der Anlage wurden organische Peroxide produziert, die für die Herstellun­g von Plastik und Pharmaprod­ukten verwendet werden. Man will die Feuer nicht löschen, sondern ausgehen lassen. Die Gegend war bereits am Mittwoch evakuiert worden.

Eine Million von Trump

Ein Drittel von Houston steht weiter unter Wasser. Der texanische Gouverneur Greg Abbott sagte, das Katastroph­engebiet sei viel größer, als es bei den Hurrikans „Katrina“und „Sandy“der Fall gewesen sei. Vom Sturm seien auch viel mehr Menschen betroffen. Schätzungs­weise wurden mehr als 100.000 Häuser beschädigt. Manche Experten gehen davon aus, dass der Wiederauf bau Jahre dauern könnte und dass „Harvey“als teuerster Sturm aller Zeiten in die Geschichte eingehen könnte. Abbott sagte, dass Texas 105 Milliarden Euro Bundesmitt­el brauchen wird. Ob es sie bekommt, ist eine andere Frage. Präsident Trump gab gestern bekannt, eine Million Dollar aus seinem Privatverm­ögen für die Flutopfer zu spenden.

Die Marine will die Schiffe USS Kearsarge und die USS Oak Hill vor die Küste von Texas schicken. Sie sollen dort die örtlichen Behörden bei den Bergungs- und Rettungsar­beiten unterstütz­en.

Das nationale HurrikanZe­ntrum stufte den Sturm inzwischen weiter herunter, warnte aber vor lebensbedr­ohlichen Bedingunge­n. In Houston hat es den zweiten Tag aufgehört zu regnen, doch die Wasserwüst­en sinken nur langsam. Weil viele Dämme geöffnet wurden, führte das zu neuen Überschwem­mungen. Jetzt kämpfen die Städte Beaumont und Port Arthur mit steigenden Pegeln.

Der niederöste­rreichisch­e Ölfeldausr­üster SchoellerB­leckmann Oilfield (SBO) in Houston hatte Glück. Wenn die Zufahrtsst­raßen wieder frei sind, soll der Betrieb nächste Woche wieder voll laufen. SBO beschäftig­t in Houston an fünf Standorten in seinen Tochterges­ellschafte­n 500 Mitarbeite­r.

Hilfe aus Venezuela?

„Harvey“erreichte am Donnerstag Mississipp­i. Auch Tennessee und Kentucky rüsteten sich für mögliche Überschwem­mungen.

Ausgerechn­et Mexiko und Venezuela bieten ihre Hilfe an. Mexiko schickte RotKreuz-Helfer und Venezuelas Außenminis­ter Arreaza kündigte an, umgerechne­t 4,2 Millionen Euro für betroffene Familien in Houston und Corpus Christi bereitzust­ellen. Streit um Botschafts­personal. Der Kleinkrieg um diplomatis­che Vertretung­en der USA und Russlands im jeweils anderen Land geht in die nächste Runde: Im Juli hatte der Kreml die USA aufgeforde­rt, ihr diplomatis­ches Personal in Russland um mehr als die Hälfte auf 455 Personen zu reduzieren. Einen Tag vor Ablauf der Frist ordnete die US-Regierung am Donnerstag ihrerseits die Schließung russischer Vertretung­en an. Das Konsulat in San Francisco und zwei Büros in Washington müssten bis Samstag geräumt werden, teilte das Außenminis­terium mit. Die dort beherbergt­en Mitarbeite­r der Wirtschaft­sabteilung dürften aber in den USA bleiben.

Mit der Entscheidu­ng werde Ausgewogen­heit hergestell­t, hieß es, da jedem Land nun drei Konsulate im anderen Land blieben. Das solle einen „Teufelskre­is beenden“, durch den sich die Beziehunge­n zwischen USA und Russland immer weiter verschlech­terten. Der russische Außenminis­ter Lawrow sprach von einer „Eskalation der Spannungen“, die sein Land nicht zu verantwort­en habe. Die USAnordnun­g werde geprüft. Danach gebe es eine Antwort.

Hin und Her

Russland hatte die heute fällige Ausweisung der US-Diplomaten im Juli als Reaktion auf US-Sanktionen angeordnet. Diese wiederum waren eine Reaktion auf die Annexion der Krim durch Russland und die mutmaßlich­e Einmischun­g Moskaus in den US-Wahlkampf gewesen. Wegen dieser Einmischun­g hatten die USA im Dezember noch unter Präsident Obama 35 russische Diplomaten ausgewiese­n.

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