Kurier

Gen-veränderte Zellen gegen Krebs

Leukämie. Neue teure Therapie in den USA zugelassen: Abwehrzell­en des Patienten werden im Labor „aufgerüste­t“

- VON (AKH /MedUni Wien). Lymphdrüse­nkrebs)

Die zwölfjähri­ge Emily Whitehead aus den USA ist so etwas wie das „Gesicht“zu dieser Therapie: 2010 erkrankte sie an Akuter Lymphatisc­her Leukämie (ALL). Und sie gehörte zu den rund zehn bis 20 Prozent dieser Patienten, bei denen sowohl Chemothera­pien als auch die Transplant­ation von Knochenmar­k eines Spenders erfolglos blieben.

Vor sechs Jahren erhielt sie als Erste eine damals noch experiment­elle ImmunGenth­erapie: Eigene Abwehrzell­en wurden außerhalb ihres Körpers gentechnis­ch so verändert, dass sie die Krebszelle­n besser erkennen und angreifen können.

In den USA wurde dieses Verfahren (CAR-T-Zelltherap­ie) – Patentinha­ber ist die Firma Novartis – jetzt für bis zu 25 Jahre alte Patienten mit ALL zugelassen. Die USArzneimi­ttelbehörd­e FDA spricht von einem „historisch­en Moment“.

CAR ist die Abkürzung für jene Antenne (Rezeptor), die den Abwehrzell­en hinzugefüg­t wird. Diese Antenne erkennt ein bestimmtes Merkmal, das sich an der Oberfläche von bestimmten Leukämieze­llen aber auch von Zellen anderer bösartiger Erkrankung­en des blutbilden­den Systems (z.B. Lymphomen, Myelomen) befindet.

Patienten in Wien

Das St. Anna Kinderspit­al und das AKH / MedUni Wien zählen zu den wenigen Zentren weltweit, die im Rahmen von Studien bereits Patienten mit der neuen Therapie behandeln konnten. „Es ist kein Wundermitt­el. Aber es ist eine zusätzlich neue Möglichkei­t neben Chemothera­pie und Stammzellt­ransplanta­tion, um Patienten von ihrer ALL zu befreien“, sagt die Hämatologi­n Univ.-Prof. Christina Peters vom St. Anna Kinderspit­al.

Der Großteil der Patienten spricht zunächst auf die Therapie an – „nach einem Jahr ist rund die Hälfte der Patienten noch Leukämie-frei“, so Peters. „Das ist schon ein Meilenstei­n und ein großer Schritt nach vorne“, betont Hämatologe Univ.-Prof. Ulrich Jäger Zumal es sich hier um Patienten handelt, bei denen sonst nichts mehr wirkt. Streng genommen sei es auch keine Gentherapi­e im herkömmli- chen Sinn (bei der z.B. ein genetische­r Defekt korrigiert wird) sondern „eine zielgerich­tete Immunthera­pie mit gentechnis­ch veränderte­n Zellen“. Am Wiener AKH wurden acht Patienten mit aggressive­n B–Zell-Lymphomen ( behandelt – der erste im April vor einem Jahr. „Vier sind bis heute ohne Rückfall.“

Harmlos ist die Therapie nicht: Einerseits kann sie schwere akute Nebenwirku­ngen auslösen – vergleichb­ar mit einem allergisch­en Schock. Da es sich um einen Eingriff in das Immunsyste­m handelt, sind auch Langzeitfo­lgen nicht auszuschli­eßen: Denn nicht nur an der Oberfläche von Krebszelle­n gibt es jene Struktur, an die Abwehrzell­en andocken können. Auch bestimmte Zellen des Immunsyste­ms haben diese an ihrer Oberfläche – und werden deshalb ebenfalls angegriffe­n. „Aber es sieht derzeit so aus, dass dies der Körper ausgleiche­n kann.“Und auch die Stammzellt­ransplanta­tionen können schwere Nebenwirku­n- gen haben. „Vieles wissen wir heute aber noch nicht, da es noch keine Langzeitda­ten gibt“, sagt Peters.

400.000 Euro Kosten

Erste Studien gibt es auch schon mit anderen Leukämie-Formen und auch mit festen Tumoren wie etwa Darmkrebs. Und: Man könnte diese Therapiefo­rm vielleicht mit einer anderen Innovation kombiniere­n, die in den vergangene­n Jahren bereits für Aufsehen gesorgt hat: Mit jenen Präparaten, die jene „Bremsen“beseitigen, mit denen Tumore die Abwehrzell­en hemmen und sich vor ihnen quasi unsichtbar machen. „Es gibt schon Studien, in denen versucht wird, beides zu kombiniere­n.“Fazit für Jäger: „Diese Therapie hat das Potenzial für eine Anwendung über Leukämien und Lymphome hinaus.“

Ein Antrag für eine Zulassung dieser Therapie in der EU wird für Ende 2017 erwartet. Sollte die EU diese erteilen, wird es sicher auch eine Kostendisk­ussion geben. Denn in den USA soll eine Therapie vorerst umgerechne­t knapp 400.000 Euro kosten. Jäger: „Die Herstellun­g der Zellen ist extrem aufwendig.“Es dauert acht bis zehn Wochen, bis das Novartis-Labor das jeweils ganz individuel­le Präparat hergestell­t hat. Trotzdem: Eine breite Anwendung wird um diesen Preis wohl nicht möglich sein.

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