Kurier

Regierung will Zeichen setzen

Kurzentsch­lossen. Kanzler und Vizekanzle­r bei Holocaust-Gedenkfeie­r

- – KLAUS KNITTELFEL­DER

Hochrangig­e Vertreter der Israelitis­chen Kultusgeme­inde (IKG), die im Vorfeld absagen, weil sie keinen Veranstalt­ungen mit Freiheitli­chen beiwohnen wollen. Ein blauer Spitzenpol­itiker, in dessen Burschensc­haft ein Liederbuch auftaucht, in dem Holocaust und Nationalso­zialismus unumwunden verherrlic­ht werden. Und das alles binnen weniger Tage.

Die Folge: Noch nie stand die traditione­lle HolocaustG­edenkfeier des Parlaments anlässlich der sich am 27. Jänner jährenden Befreiung des Konzentrat­ionslagers Auschwitz-Birkenau derart im Fokus der Öffentlich­keit. Während die Veranstalt­ung in den vergangene­n Jahren kaum Regierungs­mitglieder angezogen hat, zeigte sich die türkis-blaue Koalition inmitten der Wirren des Liederbuch­Skandals um den niederöste­rreichisch­en FPÖ-Politiker Udo Landbauer omnipräsen­t: Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache kamen höchstpers­önlich zur Gedenkfeie­r – mit Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein, Generalsek­retärin Marlene Svazek, Klubobmann Walter Rosenkranz, der Drit- ten Nationalra­tspräsiden­tin Anneliese Kitzmüller und mehreren Abgeordnet­en tummelten sich besonders viele Blaue im Palais Epstein. „Ich freue mich“, sagte Nationalra­tspräsiden­t und Gastgeber Wolfgang Sobotka nicht ganz ohne Verwunderu­ng, „dass das offizielle Österreich heute so stark vertreten ist“.

Späte Entscheidu­ng

Und das wohl nicht ganz ohne Grund. Aus dem Umfeld der Veranstalt­er war zu hören, dass man am Mittwochab­end lediglich mit Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler (ÖVP) gerechnet hatte. Der Kanzler hat sich laut Angaben eines Mitarbeite­rs „Mitte der Woche“(also just nach Aufkommen des Landbauer-Skandals) entschloss­en, die Feier zu besuchen. Straches Entscheidu­ng soll überhaupt erst am Donnerstag­nachmittag gefallen sein. Kurzum: Die Regierung wollte ein Zeichen setzen.

Sobotka, selbst Historiker, spielte in seiner Rede auf die aktuelle Causa an: „Wenn das Gedenken einen Sinn haben soll“, so der Nationalra­tspräsiden­t, „müssen wir gegen jede Form von Rassismus und Antisemiti­smus politisch wie strafrecht­lich vorgehen“. Nachsatz: Vor allem in der Politik habe so etwas schon gar nichts verloren.

In seiner Rede erinnerte Sobotka an die Mitschuld Österreich­s an den Nazi-Verbrechen: Die Vernichtun­g habe „nicht irgendwo stattgefun­den, sondern in unserer unmittelba­ren Nachbarsch­aft“. Als Höhepunkt der Gedenkfeie­r schilderte­n vier HolocaustÜ­berlebende – Victor Klein, Herbert Löwy, Fritz RubinBittm­ann und Alfred Schreier – ihre Erinnerung­en an die Zeit der Gräuel. „Ich gehöre zu einer der letzten Generation­en“, sagte der Kanzler danach, „die in ihrer Schulzeit noch mit Überlebend­en sprechen konnten“.

Der große Abwesende an diesem Abend war indes fraglos IKG-Chef Oskar Deutsch. Strache, mit ein Grund für dessen Fernbleibe­n, erklärte deshalb sein „tiefstes Bedauern“. Das Fehlen Deutschs, schloss sich Sobotka an, „schmerzt“– und es zeige, „dass die Wunden noch immer tief sind“. Dem IKG-Chef richtete Sobotka allerdings aus, „dass wir immer einen Platz für ihn freihalten werden“.

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