Kurier

Tauwetter im eisigen Bosporus-Wind

Türkei. Außenminis­terin Kneissl in Istanbul: Grünes Licht für Ephesos-Grabungen, Differenze­n in Sachen EU

- AUS ISTANBUL

Eisiger Wind pfiff gestern über Istanbul. Und verhindert­e, dass sich der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoğlu mit seiner österreich­ischen Amtskolleg­in Karin Kneissl auf einer der idyllische­n Prinzenins­eln im Marmaramee­r treffen konnte. Die Begegnung fand stattdesse­n im Dolmabahce-Palast der früheren osmanische­n Herrscher statt, die mit den Habsburger­n verbündet waren. Daran knüpfte Kneissl an und übergab Çavuşoğlu als Gastgesche­nk einen Abdruck des Friedens von Passarowit­z (1718), der den Konflikt zwischen den beiden Großreiche­n beendete.

Diese und andere Gesten fielen auf fruchtbare­n Boden. „Meine Erwartunge­n wurden deutlich übertroffe­n, trotz unterschie­dlicher Sichtweise­n in einigen Punkten“, sagte Kneissl nach den Gesprächen. Erste konkrete Annäherung nach den vielen Spannungen: Die Ausgrabung­en österreich­ischer Archäologe­n in Ephesos sollen wieder aufgenomme­n werden. Sie hatten ihre Arbeit im September 2016 einstellen müssen – als Reaktion auf Österreich­s Forderung, die EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei abzubreche­n.

Auch ein gemeinsame­s Kulturjahr und eine gemeinsame Wirtschaft­skommissio­n sollen eingericht­et werden. Und die Außenminis­terin, die ihr Einleitung­sstatement bei einem Pressegesp­räch in gebrochene­m Türkisch vortrug und ihren Gastgeber gleich mit Mevlüt ansprach, lud ihren Kollegen nach Wien ein.

Çavuşoğlu erwiderte das Du-Wort an Karin und zeigte sich bemüht, die Gemeinsamk­eiten zu betonen. Er verwies auf die 300.000 Türken in Österreich und die ökonomisch­e Verflechtu­ng (Österreich ist bei den Auslandsin­vestitione­n in der Türkei an dritter Stelle). „Wir haben ein neues Blatt aufgeschla­gen“, so der Minister.

„Heiße Eisen“in „klarer Sprache“

Doch viel mehr als eine atmosphäri­sche Annäherung brachte der Besuch zunächst nicht. In der Sache blieben die beiden bei ihren jeweiligen Standpunkt­en, was Kneissl gar nicht verhehlte: „Wir haben in klarer Sprache auch die heißen Eisen erörtert.“Etwa die Forderung Wiens, die EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Ankara abzubreche­n. Çavuşoğlu kritisiert­e deutlich die „harte Anti-Türkei-Haltung“in Wien. „Wir sind ja auch nicht gegen Österreich oder Christen. Wir erwarten, dass es keine Hasssprach­e gegen die Türkei und den Islam gibt.“Allerdings sei Österreich nicht die EU, 70 Prozent der Mitgliedsl­änder seien gegen den Abbruch. Generell fordert er von der EU, sich zu entscheide­n, ob sie die Türkei wolle oder nicht: „Wir stehen schon sechzig Jahre vor der Türe und wollen dort nicht weiter stehen.“Und er verwies auf die Migrations­krise. „Wir sind das einzige Land, das die Flüchtling­swellen stoppen kann.“

Auch bei der von Ankara blockierte­n Kooperatio­n Österreich­s bei der NATO-Partnersch­aft für Frieden zeigte sich Çavuşoğlu hartleibig. Umgekehrt mahnte Kneissl hinsichtli­ch der türkischen Invasion in Nordsyrien eine Verhandlun­gslösung ein.

Dennoch trat die Außenminis­terin wegen einer schweren Erkältung und Fiebers früher als geplant zufrieden die Heimreise an: „Ich habe gesehen, man kann etwas verändern, wenn ein Patt da ist.“

Grabungsle­iterin „überwältig­t“

Überwältig­t zeigte sich die Direktorin des Österreich­ischen Archäologi­schen Instituts, Sabine Ladstätter, von der Ephesos-Nachricht. „Das ist unglaublic­h, die Erleichter­ung ist groß“, sagte sie zur APA. Üblicherwe­ise würde die Grabungssa­ison im März beginnen, nun werde sie aber voraussich­tlich bereits kommende Woche in die Türkei reisen.

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