Kurier

Machtspiel­e rund um die Draghi-Nachfolge beginnen

Chefsessel. Deutscher Weidmann ist Favorit

- HSP

Die Amtszeit von Mario Draghi als Chef der Europäisch­en Zentralban­k endet zwar erst mit Oktober 2019. In Wahrheit ist das Rennen um seine Nachfolge aber voll entbrannt. Warum? Weil Ende Mai 2018 sein Vize, der Portugiese Vitor Constancio, abtritt. Und mit dessen Nachfolge wird indirekt über den Chefsessel mitentschi­eden.

Schuld ist der diffizile Interessen-Ausgleich: Ein Italiener an der EZB-Spitze und ein Portugiese als Vize, das gilt aus deutscher Sicht als einmaliger Betriebsun­fall. Rückblende: Zwei Südeuropäe­r an der Spitze waren nur deshalb möglich, weil 2011 der Top-Anwärter für den EZB-Chefposten, der Deutsche Axel Weber, einen überrasche­nden Rückzieher machte. Später sagte er, er hätte wegen der Schuldenkr­ise eine Geldpoliti­k mittragen müssen, die er nicht verantwort­en wollte. Tatsächlic­h dürfte sein miserabler Umgang mit der Affäre um Aussagen seines Bundesbank-Kollegen Thilo Sarrazin mitgespiel­t haben.

Topfavorit für die DraghiNach­folge ist nun der Deutsche Jens Weidmann, Webers Nachfolger an der Bundesbank-Spitze. Geringere Chancen werden den EZB- Räten François Villeroy de Galhau und Klaas Knot eingeräumt – allerdings waren die Franzosen und Niederländ­er schon an der Reihe (mit JeanClaude Trichet und Wim Duisenberg). Eher als Außenseite­r gilt Philip Lane (Irland).

Als Vizechef rechnet sich Spaniens Wirtschaft­sminister Luis de Guindos beste Chancen aus. Dahinter könnte eine Absprache stecken: Sein Land und Deutschlan­d hätten mit nur einem weiteren Euroland eine Sperrminor­ität, könnten also jeden anderen Kandidaten blockieren. Die Frage ist, ob sich die SPD hinter eine Kandidatur des konservati­ven Weidmann stellen würde.

Euro-Stärke

Bei der EZB-Sitzung am Donnerstag ließ Mario Draghi die Leitzinsen unveränder­t. Zur jüngsten Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar sagte er, dass „die derzeitige Wechselkur­svolatilit­ät eine Unsicherhe­itsquelle darstellt, die eine genaue Beobachtun­g erfordert“.

US-Finanzmini­ster Mnuchin hatte in Davos gesagt, ein schwächere­r Dollar sei gut für die USA, weil es die Exporte anschiebt. Ein Tabubruch: Seine Vorgänger hatten stets betont, dass ein starker Dollar im Interesse der USA sei. –

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