Kurier

Nach Beethoven sorgt Jordan auch bei Bruckner für wahre Wunder

- – SUSANNE ZOBL

den gehörte damals wie heute die Bibliothek des Prinzen Eugen von Savoyen mit 15.000 Bänden, die heute im Mitteloval aufgestell­t sind.

1745 wurde Gerard van Swieten zum Präfekten der Hof bibliothek ernannt. Er legte einen „Katalog der verbotenen Bücher“an; zu sehen ist jene Seite, in der Voltaires erotische Satire „La Pucelle d’Orleans“aufgeliste­t ist – samt der Anmerkung „damnatur“; solcherart klassifizi­ert wurden Werke, die „den Staat oder die Sittlichke­it untergrabe­n“.

Altester Zettelkata­log

Sohn und Nachfolger Gottfried van Swieten veranlasst­e 1780 die Erstellung des ältesten Zettelkata­loges der Geschichte: Alle Bücher des Prunksaals wurden auf insgesamt 300.000 Blättern erfasst und alphabetis­ch nach Autoren in 205 sogenannte­n „Kapseln“geordnet; eine dieser Schachteln ist in der Ausstellun­g zu sehen.

Im Laufe der Jahre kamen viele neue Sammelgebi­ete und Sammlungen hinzu; der Musikhands­chriften

(darunter Mozarts Requiem), Landkarten, Globen, Autografen, Handzeichn­ungen und Papyri wurden es immer mehr. Zudem gibt es seit dem 17. Jahrhunder­t die Pflichtabl­ieferung: Jedes hierzuland­e publiziert­e Werk wird in der ÖNB auf bewahrt. Platznöte waren die Folge. Zur Errichtung einer neuen Hof bibliothek an der Ringstraße kam es aber nicht.

Nach dem Untergang der Monarchie 1918 und der Umbenennun­g in „Nationalbi­bliothek“wurde eine radikale Idee geboren: Die Bestände sollten mit jenen der Uni und der TU zur „Zentralbib­liothek“zusammenge­legt werden. Werner Theiss entwarf in den 1930er-Jahren einen futuristis­chen Bibliothek­swolkenkra­tzer. Realisiert wurden Mitte der 1960erJahr­e lediglich die Ausleihe samt Lesesälen in der Neuen Burg am Heldenplat­z – und ein Tiefspeich­er beim Burggarten. Seit 15 Jahren fordert Generaldir­ektorin Johanna Rachinger vergeblich den Bau eines neuen Tiefspeich­ers (unter dem Heldenplat­z). Genügend Kapazität hat der Wissensspe­icher nur in einem Bereich: der digitalen Speicherun­g. Kritik. Erstklassi­ge Chefdirige­nten großer Orchester zeichnen sich nicht nur durch außerorden­tliches Dirigieren aus, sondern auch durch bemerkensw­erte Konzertpro­grammierun­gen. Das ist bei Philippe Jordan und den Wiener Symphonike­rn der Fall. In der Konzertrei­he „Bruckner und die Moderne“werden Werke aus dem 20.Jahrhunder­t von Kurtág, Ligeti und Scelsi mit Bruckners letzten drei Symphonien kombiniert.

Wie radikal und modern die späten Symphonien des Romantiker­s aus Linz sind, wird oft unterschät­zt, sehr oft meist nicht beachtet. Jordan machte das bei der Aufführung von Bruckners Achter im Wiener Musikverei­n hörbar. Als Prolog stellte er dem gigantisch­en Werk György Ligetis „Lontano“für großes Orchester voran. Dieses Werk erwies sich als ideal für die symphonisc­hen Stärken der Symphonike­r. Jede einzelne Instrument­engruppe wurde da gefordert, sinnlich gerieten die Phrasierun­gen, eine f lirrende, strahlende, schillernd­e Klangfläch­e brach sich Bahn, die in einem schwebende­n Dunkel verschwand. Atemberaub­end.

Hochspannu­ng

Als läge nur eine kurze Generalpau­se zwischen diesen beiden Werken, leitete Jordan sofort zu Bruckner über. Welche Spannung Jordan mit seinen herrlich tönenden Symphonike­rn erzeugte, ließ bereits beim ersten Satz aufmerken. Das Scherzo geriet zum schwebende­n Tanz. Beim Hauptthema setzte Jordan auf breiten Vollklang, ließ aber keine Sekunde Schwere aufkommen. Der langsame Satz war ein vollendete­s Klangfarbe­nspiel. Der Feinsinn bei den Phrasierun­gen der Streicher erreichte ein Höchstmaß. Fulminant ertönten die vier Wagnertube­n. Konzertmei­ster Florian Zwiauer begeistert­e. Das Finale war die reinste Pracht. Ovationen.

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