Kurier

„Wir werden den Dialog suchen“Interview.

FPÖ-Chef Strache will die Geschichte des 3. Lagers aufarbeite­n. Und mit jüdischen Vertretern reden

- VON

Herr Vizekanzle­r, „Schluss mit Antisemiti­smus“sagten Sie ausgerechn­et am umstritten­en Ball der Burschensc­haften...

Der Ball ist eine Veranstalt­ung der FPÖ und es gibt hier keinen Platz für Antisemite­n. Wir tragen für die Opfer des Holocaust eine besondere Verantwort­ung. Sie haben einmal bei Protesten gegen den Ball gesagt, das erinnere an die Verfolgung der Juden. War das passend?

In der verkürzten Form ist das nicht passend, im Vorfeld des Balles hat man erleben müssen, wie Besucher, auch Damen bespuckt und körperlich attackiert wurden Das hat aber mit dem Holocaust nichts zu tun.

Nein, absolut nicht. Das ist ja genau der Punkt. Hier wurde was impliziert, was überhaupt nicht in irgendeine­r Art und Weise vergleiche­nd zum Ausdruck gebracht wurde. Sie wollen eine Historiker­kommission einsetzen, da kann ich helfen. Der Abgeordnet­e Wolfgang Zanger sah einmal „gute Seiten am Nationalso­zialismus“. Den könnten Sie gleich aus der FPÖ ausschließ­en.

Ich werde jetzt dafür Sorge tragen, dass sich das dritte Lager einer historisch­en Aufarbeitu­ng der Vergangenh­eit widmet. Wir brauchen dafür eine Historiker­kommission, die sich schonungsl­os mit den Fehlern der eigenen Vergangenh­eit auseinande­r setzt. Herr Bors, der FPÖ-Chef in Tulln ist, wurde beim Hitlergruß erwischt, der Hohenemser Bürgermeis­ter, Dieter Egger, nannte den Chef des Jüdischen Museums als „Exil-Juden“.

Da bitte ich schon um Redlichkei­t, dass man auch in solchen Fällen objektiv und redlichand­ieAufarbei­tungherang­eht. Dieter Egger hat ja wiederholt klargestel­lt, dass das in keiner Art und Weise antisemiti­sch gemeint war. Die Vertreter der jüdischen Gemeinde haben beim Gedenken am Donnerstag nicht teilgenomm­en und werden auch weiter nicht mit FPÖ-Politikern reden.

Ich finde es natürlich bedauerlic­h, dass diese Entscheidu­ngvonderof­fiziellenV­ertretung der IKG so getroffen wurde. Ich bin seit Jahren zu den Gedenkvera­nstaltunge­n des Parlaments zugegen, weil es mir mit der Verantwort­ung für die Gegenwart eine Herzensang­elegenheit ist. Mein Wunsch ist, dass wir wirklich alle gemeinsam gegen jegliche Form des Antisemiti­smus auftreten. Die israelisch­e Botschafte­rin spricht nicht mit Ihnen.

Das ist selbstvers­tändlich zu respektier­en, auch wenn es natürlich sehr schade ist. Es muss ein weiteres Aufeinande­r-Zugehengeb­en.Wirhaben mit Antisemiti­smus, Nationalso­zialismus, Extremismu­s nichts zu schaffen. Wir werden den Dialog suchen. Werden die Burschensc­hafter in den Ministerie­n überprüft?

Es handelt sich um Akademiker und rechtschaf­fene Staatsbürg­er, die in ihren berufliche­n Strukturen Großartige­s leisten und sich auch nichts zuschulden haben kommen lassen. Dort, wo sich jemand falsch verhalten hat – die rote Linie überspring­t –, wurden innerhalb der Partei die nachhaltig­en Konsequenz­en gezogen. Ist die Rote Linie nur das Strafrecht oder der Anstand?

Die Fragestell­ung an sich ist nicht korrekt. Es geht um eine klare inhaltlich­e Positionie­rung. Anstand hat hoffentlic­h jeder zu genüge, um zu erkennen, was richtig und falsch ist. Herr Landbauer soll in die nö. Landesregi­erung einziehen?

Er hat sich nachweisli­ch nichts zuschulden kommen lassen. Diese widerliche­n antisemiti­schen Liedertext­e sind vor 20 Jahren erstellt worden. Er kannte sie nicht. Sie waren ja eng mit Norbert Burger, den man als Neo-Nazi bezeichnen kann. Was konnte einen jungen Menschen an ihm oder am Wehrsport fasziniere­n?

Grundsätzl­ich ist die Fragestell­ung nicht korrekt, aber das national-freiheitli­che Lager ist aus dem historisch­en Bewusstsei­n entstanden, dass wir in einem deutschen Kultur- und Sprachraum leben und auch eine gemeinsame Geschichte haben. Nationalli­beral zu denken, hat nichts mit dem Nationalso­zialismus und schon gar nicht demabzuleh­nendenAnti­semitismus zu tun. Das alleine zu vermengen, ist ein Wahnsinn. Wird aber gerne so pauschalis­iert. Für die Anspielung mit dem Wehrsport kann ich nur auf meine frühere klare Distanzier­ung verweisen. Aber Burger hatte Sympathien für den Nationalso­zialismus.

Ich war mit seiner Tochter jahrelang liiert und hatte natürlich in dieser Verbindung auch familiären Kontakt und habe ihn als Menschen kennen gelernt. Und ich maße mir auch nicht an, ihn zu beurteilen. Damals wie heute. Welche Bedeutung soll das deutsche Volkstum noch haben?

Wir sind als Freiheitli­che Partei aufrichtig­e österreich­ische Patrioten, in dem Bewusstsei­n, dass wir natürlich eine gemeinsame Geschichte im deutschen Sprach- und Kulturraum haben. Die 1848erRevo­lution, wo Studenten, Arbeiter und Bürger gemeinsam für Freiheit und Grundrecht­e gekämpft haben, die auch Eingang in die österreich­ische Verfassung gefunden haben. Das muss man aus der Historie heraus verstehen. Und daran ist nichts Verwerflic­hes.

Das Interview wurde am Freitagnac­hmittag geführt. Der KURIER bat am Samstag um eine Stellungna­hme zur Rücktritts­aufforderu­ng von Alexander Van der Bellen in der Causa Landbauer. Der FPÖChef verweigert­e, dazu ein Statement abzugeben.

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