Kurier

Das legale Geschäft mit dem Elend

Teure Wohnungen für Flüchtling­e. Iraker vermietete dreckige Schlafplät­ze zu Wucherprei­sen – und wurde freigespro­chen

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Die Zustände waren erbärmlich: Ratten und Kakerlaken als Mitbewohne­r, die völlig verdreckte­n Sanitäranl­agen teilten sich alle Bewohner, an den Wänden Schimmel, kein Bett, kein Kasten: Für eine maximal zehn Quadratmet­er große Koje in den herunterge­kommenen Mietshäuse­rn zahlten Flüchtling­e zwischen 300 und 330 Euro monatlich. Der Vermieter: Ein 49-jähriger Iraker, der damit gutes Geld verdiente.

Laut Anklagesch­rift lukrierte er mithilfe von vier weiteren Angeklagte­n zwischen 2009 und 2015 fast 680.000 Euro mit den herunterge­kommenen Quartieren. Die Staatsanwa­ltschaft Wien nennt das eine kriminelle Vereinigun­g, gewerbsmäß­igen schweren Betrug und Sachwucher. Doch im Landesgeri­cht Wien blieb davon vor Kurzem nichts übrig: Die vier Männer und eine Frau werden freigespro­chen; nicht rechtskräf­tig.

Angebot und Nachfrage

„Das war eine Sache von Angebot und Nachfrage“, sagt einer der Männer. „Die Leute haben uns kontaktier­t. Anderswo haben sie keine Wohnung bekommen. Und arabische Mieter kommen eben gern zu Arabern.“Das sahen auch die Anwälte der Angeklagte­n so: „Hier wurde keine absolute Zwangslage ausgenützt. Die Menschen kamen freiwillig“, sagt Anwalt Elmar Kresbach.

Von zumindest 38 Opfern geht der Staatsanwa­lt aus. Anerkannte Asylwerber, die dringend eine feste Adresse benötigten – um auch finanziell­e Unterstütz­ungen vom Staat zu bekommen. „Ich habe in einem Heim in Niederöste­rreich gewohnt, musste dort aber weg. Ich habe im Internet eine Woh- nung gesucht, zwei Monate lang“, schildert ein Zeuge dem Richter. „Aber die Vermieter haben immer eine Arbeitsbes­tätigung verlangt. Die hatte ich nicht.“

Ein anderer erzählt: „Ich kannte niemanden in Wien und habe die erste Nacht am Westbahnho­f geschlafen. Ich war zufrieden mit dem Quartier – es war besser als auf der Straße.“

Es gibt aber auch andere Schilderun­gen. „Es war die absolute Hölle dort“, sagte ein Mann. Eine Frau schilderte: „Es war der schlimmste Ort, den man sich vorstellen kann. Aber ich hatte keine andere Möglichkei­t.“Viele der Opfer wollen erst gar nicht aussagen – aus Angst, die Unterkunft zu verlieren. Der Staatsanwa­lt ist sicher: Hier wurde die Not der Flüchtling­e schamlos ausgenützt. Und er rechnet vor: Herr S. mietete eine 80 m2-Wohnung im 5. Bezirk um 485 Euro an. Dann unterteilt­e er sie in mehrere Einheiten und verdiente damit monatlich 2450 Euro. „Ich habe damit keinen Gewinn gemacht“, beteuert er dennoch. Mindestens an fünf Adressen vermietete er Schlaf kojen.

Geldeintre­iber

Wenn seine Untermiete­r nicht zahlen konnten, wurde durchaus eine härtere Gangart gewählt – das bestätigt sogar der eigene Hausverwal­ter: „Wenn nicht gezahlt wurde, wurde der Strom oder das Wasser abgedreht. Dann wurden die Eingangstü­ren weggenomme­n und es hat auch Gewalttate­n gegeben.“

Dennoch: Straf bar sind die Machenscha­ften nicht.

Verurteilt wurde Herr S. nur, weil er Gas-, Wasser- und Stromrechn­ungen nicht zahlte. Dafür wurde er zu 20 Monaten bedingter Haft verdonnert.

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