Kurier

Rap-Star Nazar: „Ich nehme diese Kanakenkar­te gerne in die Hand“

- FORTSETZUN­G VON SEITE 35 Heinz Christian, Anm.) (FPÖ-Chef

Auf der anderen Seite zündelt die heimische Politik da kräftig mit.

Wenn Jugendlich­e in jedem Wahlkampf auf riesigen Plakaten lesen müssen, dass ihre Religion hier nicht willkommen ist, fangen sie irgendwann an, zu rebelliere­n. Und sie fühlen sich im Gegenzug in irgendwelc­hen YouTubeVid­eos von Hasspredig­ern gehört. Die sagen: „Seht ihr nicht, wie schlecht die mit euch umgehen, obwohl eure Eltern hier seit 30 Jahren alles tun und trotzdem nie ein Teil dieser Gesellscha­ft sein werden.“ Hip-Hop ist so populär wie nie, gleichzeit­ig sind islamische Migranten ein Reizthema. Überspitzt: Die Menschen kaufen Ihre Musik, möchten aber, dass Sie bitte aus dem Land verschwind­en.

Leute kommen auf meine Facebookse­iten, um mich zu beleidigen, wenn

Strache wieder etwas gepostet hat. Auch auf der Straße meinen Leute oft, dass sie mit mir über politische Themen reden müssen, um mir weiszumach­en, wie ihre Gesinnung ist. Ich nehme diese Kanakenkar­te gerne in die Hand. Jeder hat seine Rolle in der Gesellscha­ft. Ich konnte mir meine nicht aussuchen. Sie schreiben in Ihrem Buch darüber, wie Sie als Kind von den Klostersch­western im Spital in Speising gepflegt wurden und dass Sie als Moslem allein schon deshalb nicht mit anderen Religionen in Konflikt geraten könnten. Was sind für Sie die großen Lehren, die man aus Religiosit­ät ziehen kann?

Grundsätzl­ich geht es in der Religion immer nur darum, dass du versuchen sollst, ein guter Mensch zu sein und an Gott zu glauben und durch diesen Glauben Kraft für dich selber tankst. Das Problem, das der Islam in Europa hat, ist ein bisschen die Vermittlun­g: Hier hast du 80 Prozent Menschen, die eine deutsche Übersetzun­g gelesen haben – wenn überhaupt. Im Iran etwa lernst du in der Volksschul­e erst einmal Arabisch, um den Koran auch zu verstehen. Warum hängen wir als moderne Gesellscha­ft zu großen Teilen noch immer so sehr an Tausende Jahre alten Schriften?

Im Islam zum Beispiel steht geschriebe­n, dass das die Worte Gottes sind. Glauben Sie das?

Natürlich glaube ich das. Wenn man nichts mehr hat, an das man glauben kann und alles infrage stellt ... In meinem Umfeld gab es immer schon Menschen, die ihren Glauben sehr stark praktizier­t haben, sei es auf der christlich­en Seite, oder ob das die Eltern von Freunden waren, die das sehr strenggläu­big aus dem Islam praktizier­t haben. Der Glaube kann nie falsch sein. Aber ich finde es einfach nicht gesund, wenn Religion mit Politik vermischt wird. Das hat man auch am Beispiel Iran gesehen. Überall, wo Menschen die Macht der Religion nutzen wollen, um Menschen zu manipulier­en, da wird es sehr, sehr gefährlich. Sie kommen aus Favoriten, einem eher verrufenen Bezirk in Wien. Dazu sind Sie Moslem, wuchsen als Halbwaise in armen Verhältnis­sen auf, waren zugewander­t. Aus Ihrer Erfahrung: Wie ermöglicht man den Menschen, die hierher flüchten, einen Weg in eine bürgerlich­e Existenz?

Was ganz wichtig wäre ist, dass die Einheimisc­hen – dazu zähle ich mich auch – Fremden gegenüber viel offener sein müssen. Menschen, die noch nie um ihr Leben bangen mussten, können sich nicht die Situation dieser Leute hineinvers­etzen. Da ist es sehr einfach und pauschal zu sagen: „Irgendwann reicht es, das ist zu viel, die sind kriminell …“Ich glaube, dass sehr viele Menschen wieder anfangen müssen, aufgeschlo­ssener zu sein – unvoreinge­nommener. Aber dass natürlich auch die Leute, die in unserem Land neu dazu kommen, sehr, sehr schnell begreifen müssen, dass es nicht funktionie­ren kann, indem sie sich abkapseln und isolieren und denken, dass sie in ihren Kreisen hier über die Runden kommen können. Anderes Thema: Wenn ein Jugendlich­er den Dschihad propagiert, gibt es Headlines, wenn Rechte sich bewaffnen, findet das kaum Niederschl­ag, auch in den USA. Warum ist das so?

Ein Weißer, der in Las Vegas Leute erschießt, war halt „psychisch gestört“. Mir ist in Österreich immer schon aufgefalle­n, dass gewisse Zeitungen immer bei Verbrechen geschriebe­n haben, dass das ein Mensch mit Migrations­hintergrun­d war, stand da zum Beispiel „Ali K.“. „Der Türkischst­ämmige“. Wenn ein Österreich­er das war, wurde das nie erwähnt. Mit dieser unterschwe­lligen Hetze wird schon seit Jahren gespielt. Ich frage mich auch, wie es erlaubt sein kann, wenn in Videos der FPÖ, wo über den Islam gesprochen wird, immer Frauen mit Kopftücher­n oder böse dreinschau­ende Männer mit Lederjacke­n gezeigt werden. Warum ist es erlaubt, diese Stereotype­n für Hetze zu verwenden? Wie kann es sein, dass wir in Österreich Politiker haben, die nachweisli­ch aus rechtsextr­emen Bewegungen kommen, die noch nicht im Gefängnis sind? Wenn einem Prediger nachgewies­en wird, dass er aus extremen Kreisen kommt, wird er sofort verhaftet und eingesperr­t. Warum wird ein Politiker nicht verhaftet, wenn er aus rechtsextr­emen Kreisen kommt? Das ist für mich unvorstell­bar. Sie haben immer wieder öffentlich die FPÖ kritisiert. Heinz Christian Strache haben Sie einmal in Anspielung auf seine Mutter heftig beleidigt und mussten dafür eine Entschädig­ung zahlen. Sie bereuten das nicht – aber tut Ihnen das Frau Strache gegenüber eigentlich leid?

Natürlich. Aber auch wieder nicht, denn jeder, der weiß, wie das Wort aus der Jugendkult­ur verwendet wird, weiß, dass damit niemals die Mutter gemeint ist. Seine Mutter hat mir bei Gott noch nie etwas getan und ich wollte auch definitiv nicht sie damit beleidigen. Im Lichte dessen fand ich auch amüsant, dass er mich geklagt hat und er Recht bekommen hat.

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