Kurier

Heteros im Hotel

Akademieth­eater. Simon Stone kompiliert­e Strindberg zur Soap; Martin Wuttke und Caroline Peters brillieren

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Dass die um Tinder, Pornhub und „Game of Thrones“angereiche­rten Plots tatsächlic­h auf Strindberg basieren, liegt auf der Hand. Denn im „Hotel Strindberg“, so der Titel, sind ausnahmslo­s alle Paare heterosexu­ell. Hier feiert eine archaische Welt Auferstehu­ng. Ehemänner betrügen ihre Frauen, Ehefrauen betrügen ihre Männer, Kukuckskin­der da wie dort.

Häppchenwe­ise, mitunter rasant gegengesch­nitten, erzählt Stone unter anderem von einer reifen Frau (Caroline Peters), die den Mann ihrer Tochter vernascht; von einem eifersücht­igen wie wei- nerlichen Nachwuchsd­ramatiker (Michael Wächter), der sich eben noch im Bett mit der toughen Nachbarin (Barbara Horvath) vergnügt hat – und nun, im Affekt, seine Frau (Aenne Schwarz) umbringt, da sich diese scheiden lassen will. Stone erzählt auch von der Schwangere­n (Franziska Hackl), die stundenlan­g verzweifel­t auf ihren verheirate- ten Liebhaber wartet – und schließlic­h eine Schachtel Tabletten einwirft; vom jungen Künstler, den die sexuellen Eskapaden seiner Frau – unter anderem mit dem Dra- matiker – aufgeilen wie auch zerstören.

Im Zentrum steht Strindberg­s „Der „Vater“. Alfred und Charlotte haben sich, weil ihr Haus mit Gift von der Rat- tenplage befreit werden soll, in der Suite einquartie­rt: Durch die Tür zwischen Salon und Schlafzimm­er debattiere­n die beiden über ihre Tochter Laura, die als aufstreben­de Künstlerin die männliche Dominanz mit Pornovideo­s anprangert: in Nachstellu­ngen der Roman-Polanski-Vergewalti­gung oder des BlowJobs von Monica Lewinsky.

Und die Rache der Frau

Der Vater, kettenrauc­hend und lässig von Martin Wuttke gespielt, findet das gar nicht super. Peters als Mutter hält dagegen, ein veritabler Streit bricht aus, den Yasmina Reza kaum besser auf den Punkt gebracht hätte. „Du bist widerlich“, sagt sie. „Ich tu, was ich kann“, erwidert der Drehbuchau­tor, der sich mit dem riesigen Teleobjekt­iv nebenbei als Voyeur betätigt.

Und er kann es wirklich. Denn Charlotte hat Schulfreun­d Philipp (Simon Zagermann) zum Essen eingeladen, in dem Alfred, das Alter Ego von Strindberg, sogleich einen Rivalen erkennt: Er macht den Psychiater, einen Kopf größer, nach Strich und Faden fertig. Gerade in diesen „Kammerspie­l“fallen viele treff liche Sätze, etwa: Die Frauen würden nicht Gleichbere­chtigung wollen, sondern Rache. Später werden Charlotte und Alfred, beide betrunken, zum hasserfüll­ten Showdown in einem anderen Zimmer landen – in jenem, in dem Peters und Wuttke in anderen Rollen (als altes Ehepaar) zu sehen waren.

Alfreds paranoide Anwandlung­en werden im dritten Akt manifest: Realität und Visionen überlagern sich, ein fulminante­r Roland Koch ist zugleich Sozialarbe­iter Klaus wie auch Concierge Xavier, Wuttke verwandelt sich in einen an Nick Cave erinnernde­n Rocksänger, manche der Geschichte­n lösen sich auf, Rezeption und Frühstücks­zimmer mutieren zu einem Irrenhaus, und übrig bleibt ein nackter Wuttke, der um Würde bettelt. Stark.

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