Auch ganz ohne Show ein Mann der Extreme
Kritik. Teodor Currentzis, Hélène Grimaud und Philharmonia Zürich im Wiener Konzerthaus.
Wo Teodor Currentzis draufsteht, ist im Normalfall auch große Inszenierung drinnen. Kaum ein Dirigent versteht es so sehr, sich in Szene zu setzen wie der griechisch-russische Meister des Klangs und der Extravaganz.
Insofern war das Gastspiel von Currentzis mit dem Zürcher Opernorchester, also der Philharmonia Zürich, fast so etwas wie ein kleine Enttäuschung. Keine Show, „nur“Interpretation hatte Currentzis diesmal wohl als Motto ausgegeben. Beim ersten Werk des Abends überließ er überhaupt dem SoloSchlagzeuger der Philharmonia Zürich, Hans-Peter Achberger, das Dirigat.
Ein gute Entscheidung, denn das neue Stück „glut“aus der Feder des Schweizer Komponisten Dieter Ammann lebt von Schlagzeug, Wellblech, großem Streicherund Bläser-Apparat und verströmt in seiner latenten Hysterie sehr viel Kraft. Achberger und das Orchester zeigten bei dieser Wiener Erstaufführung ihr hohes Können.
Routine
Das kann man von der an sich wunderbaren Hélène Grimaud nur im Ansatz behaupten. Sicher: Technisch ist die französische Pianistin Maurice Ravels virtuosem „Konzert für Klavier und Orchester G-Dur“mehr als gewachsen, auch die jazzigen Einflüsse sind bei Grimaud in besten Händen. Dennoch agierte die Künstlerin hier mehr routiniert denn inspiriert. Schöne Effekte inklusive. Dennoch wirkte ihre Darbietung fast schon zu beiläufig. Auch einer Zugabe verweigerte sich Grimaud trotz des (obligaten) Jubels.
Currentzis und das tadellose Orchester hielten sich bei Ravel noch brav an ihre (gut realisierte) Begleitfunktion; bei Igor Strawinskys „Feuervogel“-Suite aber konnte der Dirigent seine Sichtweise auf das Stück mehr als einbringen. Und das bedeutete: Fast exzessiv ausgekostete langsame Passagen, sehr viele abrupte Tempi-Wechsel, ein furios-radikaler „Höllentanz“und ein gnadenlos forciertes, ja stark zugespitztes Klangerlebnis. Man kann diese Suite auch anders dirigieren; doch Currentzis ist bekanntlich ein Mann der Extreme. Auch ohne Show.