Ausgerechnet im #MeToo-Jahr ist Hip-Hop großer Grammy-Sieger
Auszeichnung. Die wichtigste Musik der Gegenwart kommt endlich zu Ehren – mit Timingproblem.
Die Grammys ziehen um, örtlich (nach New York) und inhaltlich (in die Gegenwart). So wichtig diese Auszeichnung nämlich auch ist, sie ist zugleich jene, die aktuelle Musiktrends schlechtestmöglich abbildet. Denn die Grammys werden in 84 Kategorien vergeben, von denen gar viele – New Age! Best Album Notes! Bestes lokales mexikanisches Album! – eher der Befriedigung von Partikularinteressen dienen als einer künstlerischen Relevanz. Heuer aber findet der Grammy (endlich) die Spur dorthin, wo die relevanteste Musik wartet: Die Verleihung (in der Nacht auf morgen, Montag) steht im Zeichen des Hip-Hop. Jay Z und Kendrick Lamar sind die meistnominierten, das Popaufgebot – Ed Sheeran etwa – enttäuschte.
Das ist natürlich kein Zufall: In den USA wurde auf Grund der Streamingdaten 2017 erstmals erkannt, dass Hip-Hop und R&B den Rock und den Pop längst in kommerzieller und Konsumenten-Hinsicht abgelöst haben. Der Grammy als Branchenauszeichnung kommt nun nicht mehr um diese lange unterspielte Musik herum.
Was auch ein bisserl ein Pech ist. Denn die Hinwendung zum Hip-Hop spießt sich mit der großen Diskussion um #MeToo, die schön langsam auch den Musikbereich erfasst. Das Frauenbild gerade des Rap ist traditionell kein ultra-aufgeklärtes (Frauen werden hier oft zur Staffage erklärt), auch wenn sich das zuletzt geändert hat (und etwa Jay Z mit seinem aktuellen Album bei Gemahlin Beyonce nach einem Seitensprung zu Kreuze kriecht, das hätte es früher nicht gegeben). Das Gesamtbild könnte aber für die Grammy-Veranstalter besser sein.
Das wissen die natürlich auch. So wird es einen prominenten Auftritt von Kesha geben, die noch vor der #MeToo-Debatte den Superproduzenten Dr. Luke wegen sexueller Übergriffe geklagt hatte (die dieser leugnete). Sie singt ihre Comeback-Single „Prayer“, die von der Kraft erzählt, weiterzumachen. Viele Gäste der Gala wollen eine weiße Rose als Zeichen der Solidarität tragen.