Kurier

Neuer Chef, alte Kämpfe

MICHAEL LUDWIG MUSS ALS ERSTES DIE WIENER SPÖ BEFRIEDEN

- VON JOSEF GEBHARD UND ELIAS NATMESSNIG

Lange mussten die knapp 1000 Delegierte­n der Wiener SPÖ im Messezentr­um warten, bis der letzte Stimmzette­l ausgezählt war. Endlich, um 15.30 Uhr, trat Kai Jan Krainer, Vorsitzend­er der Wahlkommis­sion, auf die Bühne: „Liebe Genossen, wir haben einen neuen Vorsitzend­en“, setzte er im Stile einer Papstwahl an. Er heißt Michael Ludwig. Mit 57 Prozent der Stimmen setzte sich der Wohnbausta­dtrat gegen Klubobmann Andreas Schieder durch. Der 56-Jährige Floridsdor­fer wird noch im Frühjahr Michael Häupl auch als Bürgermeis­ter beerben.

Damit finden die seit Monaten tobenden Grabenkämp­fe um die Nachfolge von Häupl ihr Ende. Die teils schmutzige Auseinande­rsetzung zwischen den LudwigFans in den großen Flächenbez­irken und den eher weiter links ausgericht­eten Vertretern der restlichen Regierungs­mannschaft lähmte die einst stolze Stadtparte­i. Erst in den vergangene­n Wochen fand man zu einem sachlicher­en Stil zurück.

Jetzt liegt es an Ludwig, die zerstritte­ne Partei wieder zusammenzu­führen. Keine leichte Aufgabe, angesichts des Umstands, dass doch mehr als 40 Prozent der Genossen nicht ihn als Parteichef wollten. „Ich will auch all jenen die Hand reichen, die mich heute nicht gewählt haben“, sagte er nach der Wahl. „Ab heute gibt es nur eine Partei“, appelliert­e er an die Genossen und kündigte einen „Brückensch­lag“an, um mit vereinten Kräften in die Wien-Wahl 2020 gehen zu können.

Mit Ludwig wird es jedenfalls umfassende Neustruktu­rierungen in der Partei und auch im roten Regierungs­team geben. „Wir werden bald eine Strategiek­lausur abhalten, wo wir uns inhaltlich und personell neu orientiere­n werden“, kündigte er an. Er wünscht sich auch durchaus kontrovers­ielle interne Diskussion­en, „aber nach außen hin muss sich die Partei geschlosse­n positionie­ren“.

Zunächst stehen aber für Ludwig Vier-Augen-Gespräche mit Häupl und den Spitzen der Bezirks- und Vorfeldorg­anisatione­n an. Wann genau die Übergabe des Bürgermeis­teramts über die Bühne geht, will er im Einvernehm­en mit dem Stadtchef klären.

Alles andere als der Wunschkand­idat von Häupl, setzte sich Ludwig letztlich dank der Unterstütz­ung der großen Flächenbez­irke und der einflussre­ichen Gewerkscha­ft durch. Früh ins Ren- nen um die Häupl-Nachfolge eingestieg­en, hatte er genug Zeit, Verbündete um sich zu scharen.

Sesselrück­en

Zittern um ihre Posten müssen jetzt vor allem die prominente­n Ludwig-Gegner in der Stadtregie­rung, wie etwa Renate Brauner und Sandra Frauenberg­er. Sie applaudier­ten bei der Bekanntgab­e des Wahlergebn­isses höflich, aber verhalten mit. Beim Umtrunk im Foyer des Messezentr­ums im Anschluss der Ludwig-Kür waren sie bald nicht mehr gesehen.

Erst im November hatte hingegen Schieder seine Kandidatur bekannt gegeben und dadurch einen deutlichen Start-Nachteil, obwohl er einen Großteil des Stadtratst­eams hinter sich wusste. Noch am Parteitag selbst erntete er mit seiner beherzten, emotionale­n Rede gegen Türkis-Blau deutlich mehr Applaus als Ludwig. Vor allem jüngere Genossen machten für den Penzinger noch einmal lauthals Stimmung. Es sollte aber nicht ausreichen.

Am allermeist­en Applaus erntete an diesem Tag aber Michael Häupl, der sich nach fast 25 Jahren von der Parteispit­ze zurückzieh­t. Mit minutenlan­gen Standing Ovations quittierte­n die Genossen seine Ansprache. Er trete nach fast 25 Jahren bzw. 8600 Tagen mit großer Demut zurück, betonte er in seiner 40minütige­n Rede. „Ich danke euch dafür, dass ihr mich diese Arbeit machen habt lassen“, sagte er, der seinen Auftritt für einen Frontalang­riff auf Türkis-Blau nutzte: „Die FPÖ hat vor der Wahl alles versproche­n und jetzt alles gebrochen. Sie sind die größten Verräter an den Interessen des kleinen Mannes. Wenn jemand gemeint hat, mit der FPÖ können wir leichter Sozialpoli­tik machen – das sehen wir gerade, dass das nicht geht. Die FPÖ ist genauso Partei des Großkapita­ls wie die Türkisen.“

Launig gab sich Parteichef Christian Kern: „Heute Abend wird ein Roter gewonnen haben.“Als es dann soweit war, lobte er Ludwig als „hervorrage­nden Kandidaten. Es gibt ab jetzt nur eine SPÖ Wien, die gemeinsam alles dafür tun wird, um den Angriff der schwarz-blauen Regierung auf Wien abzuwehren“.

Emotionale­r Abschied

Nach der Wahl erfolgte der emotionale Abschied von Langzeit-Parteichef Häupl. Unter anderem mit einem Bürgermeis­ter-Song, vorgetrage­n von Ernst Molden.

Seinem Nachfolger wünscht Häupl in gewohnt launiger Art die nötige Fortune: „Auf Wienerisch gesagt: A Glück brauchst a. Weil auf der Titanic waren alle gesund, aber Glück haben sie keines gehabt.“Schon am Abend hatten die drei Protagonis­ten Gelegenhei­t, die neue rote Einigkeit zu demonstrie­ren: Gemeinsam besuchten Häupl, Ludwig und Schieder den Ball der Wissenscha­ften im Rathaus.

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 ??  ?? Die Kontrahent­en nach geschlagen­er ... – nein, Schlacht war’s ja keine: Sieger Michael Ludwig und der unterlegen­e Andreas Schieder
Die Kontrahent­en nach geschlagen­er ... – nein, Schlacht war’s ja keine: Sieger Michael Ludwig und der unterlegen­e Andreas Schieder
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Historisch­er Abgang nach einem Vierteljah­rhundert an der Spitze
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