Hip-Hop statt Islamismus Rap-Star Nazar über Jugendidole, Religion und sein Leben
Nazar. Der Wiener Rapper über die eigene Kunstfigur, den Islam und Rechtextremismus in der Politik
Der Wiener Rapper Nazar legt mit erst 33 Jahren seine Autobiografie vor. „Mich kriegt ihr nicht“handelt von der Suche nach Halt in einer Gesellschaft, die Ausländer ablehnt. Ein Gespräch über Rap, Randgruppen und warum der Glaube an Gott grundsätzlich nichts Schlechtes sein kann. KURIER: Deutschrap ist aktuell die erfolgreichste Musikrichtung. Eigentlich seltsam, oder? Schließlich kommt die Musik vom Rand der Gesellschaft und ist an sich eine sehr abgekapselte Kulturform. Nazar: Im Hip-Hop ging es immer um gesellschaftliche Probleme aus diversen Gebieten, wo die Umstände einfach schlechter sind. Deswegen war die Musik auch immer sehr erfolgreich für eine junge Generation, weil sie sich damit identifizieren konnte. Warum Deutschrap so groß geworden ist? Die Radios und die Medien hatten nicht mehr die Möglichkeit, uns wie die 20 Jahre davor auszublenden und nur die Mainstream-Musik zu präsentieren. Hip-Hop hat sich den Weg durchs Internet selber aufgebaut und gezeigt, dass es größer als alles andere ist. Ich glaube, der einzige Act, der im deutschsprachigen Raum mehr verkauft als Deutschrapper, ist tatsächlich Helene Fischer. Ansonsten kommt da nichts heran. Rapper werden oft für die Gewalt in ihren Texten kritisiert. Tatsächlich sind die Bilder, die sie kreieren, sehr drastisch. Ein Rapper ist eine Kunstfigur, die aus authentischer Person und überzeichneten Elementen besteht. Wodurch unterscheidet sich Nazar als Privatperson vom Rapstar Nazar?
Ich mache nicht wirklich fiktive Musik. Ich verwende oft fiktive Motive in meinen Videos oder irgendwelche Wörter, die eine Emotion oder ein klares Bild erzeugen sollen. Wenn man in der HipHop-Sprache sagt: „Ich nehme eine Waffe und blas’ dir den Kopf weg“, dann will man ja nicht sagen, dass man einen Menschen tötet, sondern an ihm sinnbildlich seine Aggression auslassen. Wie in einem Hollywood-Film, in dem Schwarzenegger jemandem mit der Pumpgun den Kopf wegschießt. Ich verstehe nur nicht, warum nie in der Filmbranche Fragen aufkommen, ob das gefährlich für die Jugend ist. Wenn man Rap verstehen will, sollte man Actionfilme sehen?
Total. Es gibt keinen erfolgreichen Rapper, der auch schwer kriminell ist. Spätestens ab dem Moment, wo du mit deiner Musik erfolgreich wirst, bist du Musiker und hast es nicht einmal mehr nötig, kriminell zu sein oder das was du in deinen Songs erzählst, auch tatsächlich Tag für Tag zu erleben. Du kannst nur authentischer darüber sprechen. Wenn ich Kinder in dem Alter hätte, in dem sie sich für Deutschrap interessieren könnten, würde ich es bedenklich finden, wenn sie Helene Fischer oder Andreas Gabalier hören. Der Siegeszug des Rap in den vergangenen drei Jahrzehnten ist vielleicht auch ein Ausdruck dessen, dass in unserer Gesellschaft immer mehr Menschen diesen Anschluss an ein bürgerliches Leben verloren haben. Und man könnte sagen: Die Rolle, die Hip-Hop als besonders authentische Lebensform übernahm, ist für viele Jugendliche heute der Islam. Wie nehmen Sie das wahr?
Als damals die Anschläge vom 11. September waren, war es so, dass man da total schockiert vorm Fernseher gesessen ist und es einfach unvorstellbar war, wie das nur sein konnte. Aber zehn Minuten später, als man sich dann unten im Park getroffen hat, hat man irgendwie aus einer falschen Ideologie damit geprotzt, dass endlich auch einmal Amerika angegriffen wurde. Etwas sehr Ähnliches ist auch mit dem Islam passiert. Ich halte es für sehr bedenklich, wenn man als erfolgreicher Rapper, der über die sozialen Netzwerke eine riesige Menschenmenge erreicht, damit beginnt, den Islam mit vermitteln zu wollen. Leute in die Moschee holen ist gut, aber im nächsten Atemzug ein Video zu veröffentlichen, wo es um Drogenhandel und Prostitution geht … Man züchtet genau diese Generation heran, die jetzt auf der Straße ist und in die Schule geht, die anderen Kindern sagt, was nicht alles Sünde sei. Plötzlich sind alle Prediger geworden.