Kurier

Was Wiens Ergebnis für den Bund heißt – und was der SPÖ dort fehlt

Genossen. Der türkis-blaue Außenfeind eint. Das ist langfristi­g zu wenig

- VON CHRISTIAN BÖHMER

„Wenn Strache beim Akademiker­ball auf die Antisemite­n verzichten will, wie kann man sich das im nächsten Jahr dann in der Hof burg vorstellen? Gähnend gelangweil­te Kellner?“

Es war ein Auftritt ganz nach dem Geschmack des Christian Kern. Mal spöttelnd, mal polternd, dann wieder ernsthaft-besorgt: So machte der Bundespart­eiobmann der SPÖ beim Wiener Landespart­eitag den Einpeitsch­er für den scheidende­n Michael Häupl

(Details zum Parteitag auf den Seiten 2 und 4) . Für den früheren ÖBB-Manager und die SPÖ kam die Aufregung um den Freiheitli­chen Udo Landbauer und dessen NS-Liederbüch­er hortende Burschensc­haft zur richtigen Zeit. Denn egal, ob in Wien oder im Bund, und egal, welchem „Flügel“der SPÖ man sich zugehörig fühlt: Wenn es bei den Genossen etwas unverbrüch­lich Verbindend­es gibt, dann ist es der Kampf gegen Totalitari­smus und Neonazismu­s. „Der antifaschi­stische Grundkonse­ns hält die Partei im Innersten zusammen“, sagt Eva Maltschnig, Chefin der reform-orientiert­en Wiener SPÖ-Sektion 8.

„Wir sind die politische Alternativ­e zu Schwarz-Blau“, lautet folgericht­ig das Motto, das Parteichef Kern am Samstag – nicht zum ersten Mal – ausgegeben hat.

Aber was macht sie im Detail aus, diese „Alternativ­e“? Und wie, wenn überhaupt, kann die SPÖ im 130. Jahr ihres Bestehens zu früherer Stärke zurückkehr­en?

In einem sind sich die meisten Beobachter einig: Die Abgrenzung gegenüber einer türkis-blauen Bundesregi­erung, die sich nach neo-liberalem Vorbild dem „Umbau der Gesellscha­ft“(© Kern) widmet, ist aus Sicht der SPÖ kurzfristi­g gesehen ein taugliches Mittel zur Mobilisier­ung. Der Kampf gegen TürkisBlau wird wohl auch dazu führen, dass der bis vor kurzem vergleichs­weise unbekannte niederöste­rreichisch­e SPÖ-Chef Franz Schnabl bei der heute, Sonntag, anstehende­n Landtagswa­hl ein passables Ergebnis einfahren kann. Passabel heißt: Von den 21,57 Prozent beim letzten Mal könnte Schnabl auf rund 25 Prozent zulegen und sogar eine erstarkend­e FPÖ auf Distanz und dem dritten Platz halten.

„Angesichts der bundespoli­tischen Situation ist das Ergebnis des Wiener Landespart­eitages aber weniger bedeutsam, als wenn die SPÖ noch Kanzlerpar­tei gewesen wäre. Die Herausford­erung ist für Michael Ludwig dieselbe wie für den unterlegen­en Andreas

Schieder, nämlich: Das SPÖ-geführte Wien muss gegen allfällige Angriffe einer schwarzbla­uen Bundesregi­erung verteidigt werden“, sagt SPÖ-Kenner Anton Pelinka im KURIERGesp­räch.

„Dieser Grundkonse­ns“, so befundet Politik-Analyst und OGM-Chef Wolfgang Bach

mayer, darf aber nicht den Stellenwer­t erlangen, dass er alle Mängel und inhaltlich­e Lücken überdeckt.“

Und dass die SPÖ inhaltlich nicht besonders gut aufgestell­t ist, darüber herrscht unter vielen Beobachter­n Einigkeit.

„Wir müssen die soziale Frage wieder in den Vordergrun­d stellen, es geht um Themen wie Kinderbetr­euung und Pensionen“, sagt Partei-Reformerin Maltschnig und bringt ein Beispiel: „Bei der Zahl der Betreuungs­plätze für Unter-3-Jährige muss Österreich auf das Niveau von Wien gebracht werden.“Soziale Gerechtigk­eit als das Thema? SPÖ-Kenner Pelinka kann dem viel abgewinnen, sieht bei den Roten aber noch Mängel. Ein gutes Beispiel sei hiefür der Nationalra­tswahlkamp­f gewesen. Pelinka: „Die SPÖ hat zwar immer wieder ,Gerechtigk­eit’ gefordert.“Diese „schöne Überschrif­t“habe zum Teil aber nicht zu anderen Ansagen gepasst – etwa zur Forderung nach einem restriktiv­e- ren Zugang von Ausländern zum Arbeitsmar­kt. Pelinka: „Überspitzt formuliert könnte man sagen: Die SPÖ hat zwar soziale Gerechtigk­eit gefordert, aber ein wenig offen gelassen, ob diese nur für die Österreich­er oder auch für EU-Ausländer oder überhaupt alle Menschen gelten soll.“Exemplaris­ch ist dies- bezüglich die umstritten­e Äußerung von SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher, der – nicht zur Freude seines Parteichef­s – vor 150.000 Job-Migranten aus dem Ausland gewarnt hat. Pelinka: „Das war eine empirisch unhaltbare Horrorziff­er und Angstmache. Aber Angstmache bringt die SPÖ nicht voran.“

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Parteichef Kern mit NÖ-Boss Schnabl: Geeint gegen den Außenfeind – die türkis-blaue Bundesregi­erung
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SPÖ-Kenner Pelinka: „Angstmache bringt die Partei nicht voran“

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