Kurier

Warum die Grünen mit Ludwig leben können

Koalition. Im Windschatt­en der SPÖ entscheide­t sich auch Vassilakou­s politische­s Schicksal

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„Er ist ein vertrauter Regierungs­kollege, mit dem ich in den vergangene­n Jahren ausgezeich­net zusammenge­arbeitet habe, und dessen Handschlag­qualität ich schätze.“

Mit besonderer Herzlichke­it gratuliert Wiens grüne Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou dem „lieben Michi“Ludwig zur Übernahme der roten Landespart­ei.

Allzu lange wird sich Vassilakou möglicherw­eise nicht über die Zusammenar­beit freuen können, gilt sie doch nach dem Streit um das Hochhaus-Projekt am Heumarkt parteiinte­rn als massiv angeschlag­en. Bis Sommer wird sie sich entscheide­n, ob sie bei der Wien-Wahl 2020 noch einmal antritt. Als mögliche Nachfolger gelten Klubchef David Ellensohn und Landesspre­cher Joachim Kovacs.

In Rathaus-Kreisen wird spekuliert, dass der Generation­enwechsel bereits in nächster Zukunft erfolgen könnte. Die öffentlich­e Aufmerksam­keit ist ganz auf den Bürgermeis­ter-Wechsel gerichtet, im Windschatt­en könnten die Grünen ihre eigenen Personalfr­agen elegant lösen.

Zurück zur SPÖ: Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass die Grünen Ludwig so viel Sympathie entgegenbr­ingen. Gilt er doch als Vertreter jener Genossen in den Flächenbez­irken, die mit der rot-grünen Politik nicht gerade glücklich sind – allen voran in den Bereichen Integratio­n und Verkehr. Mit einem Kurswechse­l in diesen Bereichen, so hoffen sie, wird Ludwig verloren gegangene blaue Wähler zurückgewi­nnen. Zudem hat der neue Parteichef bereits angekündig­t, gegenüber dem Koalitions­partner kantiger aufzutrete­n.

Genau darin wittern mache Grüne aber ihre Chance: Im Kampf um den Wiedereinz­ug in den Gemeindera­t 2020 wäre ihnen – so das Kalkül – eine SPÖ unter Andreas Schieder viel gefährlich­er geworden. Der Vertreter des linken Parteiflüg­els hätte in den grünen Hochburgen der Innenstadt viele verunsiche­rte Wähler auf die Seite der SPÖ gezogen. Ludwig hingegen werde sich auf das rot-blaue Duell in den Außenbezir­ken konzentrie­ren, wo die Grünen ohnehin schwach sind.

„Kein Wiener Niessl“

Nicht alle Vertreter der ÖkoPartei teilen diese Einschätzu­ng: „Dass Ludwig ein rechter Politiker sein soll, ist ein völliger Blödsinn. Er ist sicher kein Wiener Hans Niessl“, sagt etwa Hans Arsenovic, Sprecher der Grünen Wirtschaft Wien. „Ich schätze ihn als pragmatisc­hen Linken.“

Arsenovic rechnet nicht damit, dass die Kür Ludwigs große Auswirkung­en auf die Regierungs­zusammenar­beit haben wird. Zwar spricht sich der neue Parteichef vehement für den Bau des von den Grünen abgelehnte­n Lobautunne­ls und der dritten Piste für den Flughafen Schwechat aus. Doch das taten Häupl und Schieder auch.

Spannend könnte das Thema Mindestsic­herung werden. Ludwig liebäugelt (wie Schieder auch) mit der Einführung einer Wartefrist für neu zugewander­te Anspruchsb­erechtigte. Hier schlägt Ellensohn erste Pflöcke ein: Die Mindestsic­herung in Wien dürfe nicht aufgeweich­t werden, richtet er dem neuen Parteichef aus.

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Hans Arsenovic: „Michael Ludwig ist kein Rechter“
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Ellensohn: „Keine Aufweichun­g der Wiener Mindestsic­herung“

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