Kurier

Der Herr Doktor und sein Cannabis

Steiermark. 34-Jähriger setzt auf die Hanfpflanz­e − als Allgemeinm­ediziner wie als Nebenerwer­bslandwirt

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„Das Potenzial der Pflanze ist leider völlig ungenützt“, bedauert Patrick Thurner und zählt auf: Blüten, Samen, sogar die Fasern lassen sich verwenden. „98 Prozent der Pflanze kann man verwerten“, betont der Steirer und hat für Veganer und ProteinSha­kes trinkende Sportler auch noch ein Zuckerl: Der Eiweißgeha­lt der Samen liege bei 50 bis 52 Prozent.

Thurners Wunderpfla­nze ist Hanf, lateinisch Cannabis. Da fängt es im Kopf des Zuhörers zu rumoren an: Cannabis? Haschisch? Drogen? Nein, versichert Thurner, ihm gehe es nicht um die psychoakti­ve Wirkung, Alexander Nutzhanf gewonnen wird und keinen Rauscheffe­kt hat.

Nur synthetisc­h

Ein Mittel, das universell einsetzbar sei, von Rheuma bis Migräne, ist Thurner überzeugt – auch wenn entspreche­nde wissenscha­ftliche Studien in diesem Bereich noch fehlen. In der Schmerzthe­rapie sind nicht berauschen­de Cannabispr­äparate mittlerwei­le oft zu finden, auch in Österreich; allerdings synthetisc­h hergestell­t und nicht aus Pflanzen.

Da kommt der zweite Beruf des Arztes ins Spiel: Thurner ist Nebenerwer­bslandwirt und baut Nutzhanf an. Gemeinsam mit seinen Geschwiste­rn Bettina und Alexander hat er den Hof der Großeltern übernommen. Seit 2015 wird hier unter anderem Hanfmehl produziert, das als Basis für Eiweißpulv­er dient. Sogar Eiweißrieg­el wurden von den dreien ausgetüfte­lt, die über Alexanders Suche nach einem Soja-Ersatz auf die Cannabispf­lanze stießen. „Eine gute alternativ­e Proteinque­lle“, erinnert sich Patrick Thurner. „Da war es naheliegen­d, dass wir sie selbst anbauen.“

Ganz legal

In der Ordination geht es dem Doktor aber eher um den Ein- satz von CBD-Öl. „Wir sind auf der legalen Ebene, das ist Nutzhanf und nichts zum Rauchen“, betont er. „Da kann nichts abhängig machen, weil da nichts zum abhängig machen drin ist.“Es enthalte kein THC, jenen Stoff, der die berauschen­de Wirkung auslöst. Wenn Thurner seinen Patienten also CBD-Öl aus pflanzlich­er Herstellun­g empfiehlt, verstößt er nicht gegen ein Gesetz.

Kein Arzneimitt­el

Allerdings haben solche Produkte keinen Arzneimitt­elstatus wie in anderen Staaten: Deutschlan­d etwa gab medizinisc­hes Cannabis für schwerkran­ke Menschen im Vorjahr auf Rezept frei, 13.000 Anträge hat es bis Ende 2017 gegeben.

Unter Experten ist der Einsatz aber umstritten: Gudrun Rumpold-Seitlinger, Leiterin der Schmerzamb­ulanz am Klinikum Graz, warnt vor zu viel Euphorie: „Ein unbedenkli­cher Einsatz von Cannabinoi­den kann trotz vieler positiver Effekte nicht empfohlen werden“, gibt sie zu bedenken, da es auch Nebenwirku­ngen gebe: Schwindel, Müdigkeit, Verwirrthe­it. Aber: „Weder sind Cannabinoi­de ein Allheilmit­tel noch sollte man grundsätzl­ich Ressentime­nts gegen sie haben.“

Thurner will mit seinem Engagement für pflanzlich­es CBD-Öl ein Umdenken in der breiten Masse bewirken. „Viele Patienten wollen weg von chemischen Substanzen“, betont er. „Die Kollegen sollten sich auch damit beschäftig­en. Sonst informiere­n sich die Leute im Internet, wo es keine vernünftig­e Auskunft gibt.“Beratung und Weitergabe müssten in „Ärzte- und Apothekerh­and bleiben.“

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