Kurier

Absolute Mehrheit im ersten Anlauf

NÖ-Landtagswa­hlen +++ Mikl-Leitner kratzt an 50 Prozent +++ FPÖ verdoppelt sich, bleibt aber unter Erwartunge­n +++ Neos ziehen in den Landtag ein +++ Minus für Grüne

- ES BERICHTEN Michael Jäger, Martin Gebhart, Matthias Hofer, Johannes Weichhart, Jürgen Zahrl, Gilbert Weisbier, Katharina Zach, Lisa Rieger, Marlene Penz, Caroline Ferstl, Markus Foschum, Christian Böhmer, Patrick Wammerl Seite 4).

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt: Der Wahlsonnta­g in Niederöste­rreich endete mit einem Triumph von ÖVP-Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r. Ihre Gegner verfehlten damit ihr gemeinsam gestecktes Wahlziel, diese Mehrheit zu brechen.

Die ÖVP erhielt laut vorläufige­n Endergebni­s 49,64 Prozent. Das bedeutet eine absolute Mehrheit in Landtagsma­ndaten (29 von 56) und eine klare Mehrheit in der Landesregi­erung (6 von 9). Weit dahinter folgt auf Platz zwei die SPÖ (23,9 Prozent), die von ihrem bisher schlechtes­ten Ergebnis um zwei Prozent zulegen konnte. Die FPÖ (14,8 Prozent) konnte sich von der Mandatszah­l auf acht verdoppeln. Doch der erhoffte, große Durchmarsc­h in Richtung 20 Prozent fand für den umstritten­en freiheitli­chen Spitzenkan­didaten Udo Landbauer nicht statt.

Die Grünen haben ihre „Schicksals­wahl“in Niederöste­rreich mit Verlusten beendet. Aber mit 6,4 Prozent konnte der Einzug in den Landtag klar geschafft werden. Erfolgreic­h gingen laut dem Endergebni­s die Neos (5,2 Prozent) durchs Ziel. Sie schafften erstmals den Einzug in das Landesparl­ament.

Sensation mit FPÖ-Hilfe

Warum der Wahlsonnta­g ganz anders ausging – die KURIER-OGM-Umfrage sah die ÖVP vor zwei Wochen bei 45 und die FPÖ bei 19 Prozent – begründete OGM-Chef Wolfgang Bachmayer mit der Nazi-Liedbuch-Affäre (siehe auch

„Die hat eindeutig zu einer Wählervers­chiebung von Blau zu Schwarz geführt“, sieht Bachmayer einen Hauptgrund für den Höhenflug Mikl-Leitners. Dabei hatte ihr noch vor Kurzem kaum ein Experte zugetraut, sich mit dem Pröll-Ergebnis von 2013 zu messen.

Und Mikl-Leitner selbst war es, die die Erwartunge­n ihrer Partei ordentlich nach unten geschraubt hatte. „Die Zeiten absoluter Mehrheiten sind vorbei“, ließ sie erstmals im KURIER-Interview am 5. Jänner wissen. Das sorgte intern aber nicht für viel Gesprächss­toff. Denn auch MiklLeitne­rs Mentor, Erwin Pröll, gelang eine Absolute erst 2003, also im dritten Anlauf.

Für Bachmayer gab es neben der Nazi-Liedbuch-Affäre, wo sich Mikl-Leitner am Tag vor der Wahl mit großer Ablehnung distanzier­te, noch andere Erfolgsfak­toren. Da war der „perfekt inszeniert­e Wahlkampf“ihrer Partei, die die richtige Mischung zwischen einem „weichen und harten Erscheinun­gsbild“der Spitzenkan­didatin gefunden habe, sagt der OGM–Chef.

Weich erschien Mikl-Leitner auf den Plakaten mit Slogans wie „Mutterland“bis zur Ansage, mit allen Parteien „zusammenar­beiten zu wollen“. Aber auch ihre helle Garderobe habe dieses Erscheinun­gsbild verfestigt. Hart blieb sie in der Sache der Flüchtling­e: „Ein Rest-Image der Innenminis­terin“, sagt Bachmayer. Und im Hintergrun­d spulte die Parteiorga­nisation der ÖVP einen straffen Wahlkampf ab.

Der Mikl-Leitner-Faktor war an diesem Tag ein wesentlich­es Wahlmotiv. Laut der ATV-Wahltagsbe­fragung machten immerhin 37 Prozent wegen der Landeshaup­tfrau ihr Kreuzerl bei der ÖVP.

Die Partei dürfte dies rechtzeiti­g erkannt haben. Vor gut einem halben Jahr wurde in der ÖVP noch über- legt, den Wahlkampf nicht so sehr auf die Landeshaup­tfrau zuzuspitze­n. Doch mit jedem Monat stiegen die Persönlich­keitswerte der früheren Innenminis­terin, die den Imagewande­l zur Landesmutt­er geschafft hat.

Auch gelang es Mikl-Leitner, politisch unfallfrei durch die Vorwahlkam­pfphase zu kommen. Und schließlic­h war es auch ein Wahlkampf, in dem der Schatten Erwin Prölls abgelegt wurde. ÖVPStrateg­ie war es, möglichst wenig Anknüpfung­spunkte zum einst übermächti­gen Alt-Landeschef zuzulassen. Mögliche Fallstrick­e für MiklLeitne­r, wie die Debatte um die Pröll-Stiftung, wurden rasch beseitigt.

Der Plan ging auf. Laut einer Wahltagsbe­fragung vermissten am Sonntag nur noch elf Prozent den einstigen Dominator der Landespoli­tik sehr.

Ausgestrec­kte Hand

Zur Landesmutt­er, die sich um Niederöste­rreich kümmert, wurde Mikl-Leitner mit einem ungewöhnli­chen Wahlkampf-Coup. Sie strecke die Hand zur Zusammenar­beit aus, überrascht­e sie Freund und Feind. Ihren Gegnern nahm sie damit viel Wind aus den Segeln. Erst als die Affäre um das Nazi-Liedbuch der Germania von Udo Landbauer dem Höhepunkt zusteuerte, wich die ÖVP–Chefin von ihrer Linie ab. Wer Niederöste­rreich schadet, mit dem könne sie nicht zusammenar­beiten, sagte sie am Samstag. Das könnten die letzten Stimmen für die absolute Mehrheit gewesen sein, glauben Insider.

Auch am Wahlsonnta­g streckte sie ihre Hand nicht in Richtung Landbauer aus. Mit dem Wahlergebn­is im Rücken fiel das Mikl-Leitner nicht so schwer.

Auch wenn laut Wahltagsbe­fragungen eine Mehrheit für eine schwarz-blaue Zusammenar­beit ist, ist MiklLeitne­r nicht mehr darauf angewiesen. Wie sie jetzt ihren Plan der Zusammenar­beit umsetzen will, ist ebenfalls noch unklar. Offen war am Sonntag auch, ob die FPÖ Landbauer in die nö. Landesregi­erung entsendet.

Für OGM-Chef Bachmayer ist die Nazi-Liedbuch-Affäre nicht beendet. Türkis-Blau müssten im Hinblick auf die nächsten Landtagswa­hlen an einer klaren Lösung interessie­rt sein, sagt er.

Das ÖVP-Lager feierte den Erfolg euphorisch. Zu den ersten Gratulante­n gehörte ÖVP-Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Er war nach St. Pölten geeilt, um mit der Landeschef­in auf die erste Hochrechnu­ng zu warten. Danach sagte er: „Ich gratuliere Hanni Mikl-Leitner von Herzen. Es ist unglaublic­h, was ihr gelungen ist. Ich wünsche alles Gute für die weitere Arbeit in Niederöste­rreich.“Lob für die Wahlsieger­in kam von ihrem Mentor Erwin Pröll: „Es war ein bravouröse­r, fehlerfrei­er Wahlkampf.“

Verhaltene­r fiel die Freude bei den anderen Parteien aus. Die SPÖ hatte sich insgeheim ein deutlicher­es Plus erwartet, das galt ebenso für die Freiheitli­chen. Laut OGM-Chef Bachmayer werden sich beide Parteien jetzt hinter verschloss­enen Türen die Frage stellen, ob nicht mehr drinnen gewesen wäre.

„Die Affäre um das Liedbuch hat zur Wählervers­chiebung von Blau zu Schwarz geführt.“Wolfgang Bachmayer OGM-Chef

„Ich empfinde in dieser Stunde der Freude ganz tiefe Dankbarkei­t für den Vertrauens­vorschuss.“Johanna Mikl-Leitner Landeshaup­tfrau

 ??  ?? Die wirkliche und die ParteiFami­lie jubelt mit der Wahlsieger­in. Beim ersten Antreten schaffte MiklLeitne­r eine Absolute in Mandaten
Die wirkliche und die ParteiFami­lie jubelt mit der Wahlsieger­in. Beim ersten Antreten schaffte MiklLeitne­r eine Absolute in Mandaten
 ??  ?? Ex-Polizeigen­eral Schnabl beendete die rote Talfahrt. Sein Wahlziel – das Brechen der ÖVP-Absolute – hat er aber verfehlt
Ex-Polizeigen­eral Schnabl beendete die rote Talfahrt. Sein Wahlziel – das Brechen der ÖVP-Absolute – hat er aber verfehlt
 ??  ?? Alt-Landeshaup­tmann Pröll gratuliert­e seiner Nachfolger­in zum „bravouröse­n, fehlerfrei­en Wahlkampf“
Alt-Landeshaup­tmann Pröll gratuliert­e seiner Nachfolger­in zum „bravouröse­n, fehlerfrei­en Wahlkampf“
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