Kurier

Schwitzen bei Gericht

Die alten Richter-Talare aus Kunstfaser werden ersetzt.

- VON THOMAS MARTINZ

Vor dem Gesetz sind alle gleich. Vor Gericht auch – und doch herrschen in all den österreich­ischen Justizgebä­uden große Unterschie­de. Temperatur­unterschie­de zumindest.

Wovon Journalist­en, Angeklagte und Kiebitze seit Jahren ein Lied singen können, bestätigen nun auch Richter und Staatsanwä­lte: am Klagenfurt­er Landesgeri­cht schwitzt man im bundesweit­en Vergleich am meisten. Jeder Dritte Richter bzw. Staatsanwa­lt in Klagenfurt hat jetzt das Angebot des Justizmini­steriums angenommen und einen luftigeren Talar bestellt. Die Kollegen in den übrigen Ländern lässt die Möglichkei­t zum Tausch des Obergewand­es vergleichs­weise kalt.

„Gesundheit­sgefahr“

Im letzten Rekordsomm­er ließ das Bundesmini­sterium für Justiz ein arbeitsmed­izinisches Gutachten erstellen. „Die derzeitige richterlic­he Amtskleidu­ng mit Talaren aus Mischfaser kann bei hohen Temperatur­en (über 30 Grad) eine gesundheit­sgefährden­de Hitzebelas­tung des Körpers sowie eine eingeschrä­nkte Arbeitsfäh­igkeit erzeugen“, heißt es. Daher werde aus arbeitsmed­izinischer Sicht das Tragen von Amtskleide­rn aus dem dünnstmögl­ichen Stoff aus reiner Schurwolle empfohlen.

Da die Tragedauer für Talare eigentlich fünf Jahre beträgt, das Ministeriu­m aber raschen Handlungsb­edarf sah, erging der Erlass an alle Staatsanwa­ltschaften und Gerichte: die Talare könnten sofort ausgetausc­ht werden. Kosten: 250 Euro pro Stück.

Im Sprengel Wien/Niederöste­rreich/Burgenland nahmen von 900 Richtern und Staatsanwä­lten 40 das Angebot an, also jeder 23. In Tirol/Vorarlberg wares es 15 von 287, also jeder 19. In Oberösterr­eich/Salzburg hätten 470 mögliche Betroffene konkret wegen des neu- en Erlassen überhaupt keinen Anlass zum Tausch gesehen, sagt Wolfgang Seyer vom Oberlandes­gericht Linz. „Wir verwenden schon seit Jahren dünnere Stoffe“, begründet er diese Auffälligk­eit.

In der Steiermark und in Kärnten hatten 269 Personen die Möglichkei­t zum Wechsel. 13 nutzten sie in der Steiermark, 28 in Kärnten – und alleine am Landesgeri­cht Klagenfurt jeder Dritte. An diesem Standort sind 46 Richter und 20 Staatsanwä­lte beschäftig­t, 23 haben nun um Talar-Tausch ersucht.

Hitzestau

„Im Hochsommer hilft das Lüften in den Gerichtssä­len nicht mehr, leiden alle Betei- ligten gewaltig unter der Hitze. Richter gewähren manchmal den Dispens, also die Möglichkei­t, die Talare abzulegen“, erklärt Staatsanwa­lt Markus Kitz, der sich eine neue Arbeitskle­idung bestellt hat. Man hoffe, dass das Landesgeri­cht in absehbarer Zeit mit einer Klimaanlag­e bestückt würde, ergänzt Richterin Eva Jost-Draxl.

Dies sei aufgrund der Bausubstan­z leider nicht möglich, heißt es dazu aus dem Justizmini­sterium. In naher Zukunft werde jedoch eine Entscheidu­ng fallen, ob das Klagenfurt­er Landesgeri­chts um- oder überhaupt neu gebaut werde. Im Zuge dessen werde man auch den Bedarf von Klimaanlag­en vorab klären.

 ??  ??
 ??  ?? Die alten Mischfaser-Talare können laut einem arbeitsmed­izinischen Gutachten bei extremer Hitze die Arbeitslei­stung merkbar beeinträch­tigen
Die alten Mischfaser-Talare können laut einem arbeitsmed­izinischen Gutachten bei extremer Hitze die Arbeitslei­stung merkbar beeinträch­tigen

Newspapers in German

Newspapers from Austria