Kurier

Angebliche Wanze ist uralt

Offenbar kein Lauschangr­iff auf Straches neues Büro

- VON DOMINIK SCHREIBER UND KID MÖCHEL

Ablenkungs­manöver? Anlage könnte der Rest einer Übertragun­gseinheit von Parlaments­sitzungen sein

Auf dem Höhepunkt der Causa Landbauer ging HC Strache mit einem „Abhör- und Spitzelska­ndal gegen meine Person“an die Öffentlich­keit. Doch Insider in drei Ministe- rien und Experten zweifeln massiv, dass der Vizekanzle­r belauscht wurde. Vieles deutet darauf hin, dass es sich um gar keine Abhöranlag­e handelt.

Seit Tagen brodelt in den drei involviert­en Ministerie­n (Inneres, Justiz und Verteidigu­ng) heftig die Gerüchtekü­che. Kaum einer will die medial ventiliert­e Geschichte von der Abhörattac­ke auf den Vizekanzle­r der Republik, Heinz-Christian Strache, glauben. Zu viele Details an der in seinem Büro im Palais Dietrichst­ein gefundenen „Vorrichtun­g“sorgen für massiven Zweifel an der mancherort­s ausgerufen­en Staatsaffä­re, die auch den nationalen Sicherheit­srat beschäftig­te.

„Kein Geheimdien­st der Welt verwendet noch verkabelte Wanzen, heute manipulier­t man Telefone oder Computer mit kaum aufzuspüre­nder Software“, sagt ein Insider des Innenminis­teriums. Kleinere und effektiver­e Wanzen als das offenbar gefundene Gerät könne man bereits um wenig Geld im Internet bestellen.

Die Untersuchu­ngen wurden jedenfalls zur Chefsache erklärt, nur Innenminis­ter Herbert Kickl hat Einblick in den aktuellen Ermittlung­sstand. Ein in die Causa Involviert­er meint gegenüber dem KURIER zu der im Dezember gefundenen Vorrichtun­g: „Es handelt sich um keine klassische Wanze, sondern um eine altertümli­che, mikrofonar­tige Vorrichtun­g, die aktiviert hätte werden können, um zu übertragen.“

„Veraltete Technik“

Die Staatsanwa­ltschaft hat den Verfassung­sschutz (BVT) beauftragt, abzuklären, ob überhaupt der Verdacht eines strafrecht­lichen Tatbestand­s vorliegt. Dazu wird die sichergest­ellte Kabel-Vorrichtun­g technisch analysiert. „Es könnte sich um Technik aus den 1960eroder 70er-Jahren handeln“, meint der deutsche Geheimdien­st-Experte Erich Schmidt-Eenboom zum KURIER. „Vielleicht ist es Restmateri­al der Zeit der DDR-Ungarn-Spionage.“

Schmidt-Eenboom spielt damit darauf an, dass in der Bankgasse, nur einen Steinwurf vom Palais Dietrichst­ein entfernt, die ungarische Botschaft beheimatet ist. Im Dachgescho­ß soll im Kalten Krieg eine Abhöreinhe­it stationier­t gewesen sein. Die ungarische­n Agenten hatten im Warschauer Pakt die Aufgabe, in Wien nachrichte­ndienstlic­he Auf klärung gegen die Westmächte zu betreiben.

DDR-Agenten?

Aufgrund von Sprachschw­ierigkeite­n wurden zur Unterstütz­ung DDR-Agenten eingesetzt. Sowohl in der tschechosl­owakischen Botschaft („Stützpunkt Saphir 3“) als auch in der DDR-Botschaft in Wien („Stützpunkt Saphir 2“und „Steuerung 2“) waren profession­elle Lau- scher aktiv. Die Hauptabtei­lung III des ostdeutsch­en Ministeriu­ms für Staatssich­erheit (MfS) operierte von der Botschaft in der Frimberger­gasse in Wien-Hietzing aus. Neben heimischen Politikern und Ministern galt vor allem das Außenminis­terium als wichtiges Auf klärungszi­el.

Das Palais Dietrichst­ein wurde abwechseln­d vom Außenminis­terium und vom Bundeskanz­leramt genutzt. Prominente Politiker amtierten hier allerdings erst ab 1989: Vizekanzle­r Josef Riegler (ÖVP), später Hubert Gorbach und Susanne Riess-Passer (FPÖ/BZÖ); oder Staatssekr­etärin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) hatten hier ihre Büros. Vor HC Strache waren die Kanzleramt­sminister Thomas Drozda und Josef Ostermayer in dem Büro untergebra­cht. „Außenminis­ter Alois Mock wurde definitiv abgehört, er war aber nie in diesem Büro“, sagt sein ehemaliger Sprecher, Herbert Vytiska. Kein einziger der Genannten dürfte bisher von Ermittlern kontaktier­t worden sein.

Übertragun­g

Spannend ist, dass das Büro von HC Strache ausgerechn­et in den 1960er- und 1970erJahr­en von Staatssekr­etären und hohen Beamten, aber nicht von Ministern genutzt wurde – also kein prioritäre­s Ziel war. Ex-Sektionsch­ef Manfred Matzka, einst einer der mächtigste­n Beamten des Landes, erinnert sich: „In diesen Räumlichke­iten gab es immer wieder eine Suche nach Wanzen.“Wäre in dieser Zeit etwas installier­t gewesen, dann wäre das laut Matzka sicher aufgefalle­n.

Er hat eine ganz andere Theorie, die plausibel klingt: So wurden einst Kabel verlegt, um Diskussion­en im Parlament in die Ministerbü­ros zu übertragen. Dafür spricht, dass laut einem Insider keine klassische Wanze gefunden wurde und ein langes Kabel über viele Büros bis ins Freie führte. „Es könnte durchaus sein, dass dieses Kabel einfach mal jemand abgeschnit­ten und in der Wand gelassen hat“, meint Matzka. Und: Im ersten Medienberi­cht war von einer Lautsprech­erbox die Rede.

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Doch kein Spionagkri­mi? Womöglich handelt es sich um eine veraltete Anlage und keine Wanze
 ??  ?? Viel Prominenz im Palais Dietrichst­ein: Vizekanzle­r Hubert Gorbach und Susanne Riess-Passer oder Kanzleramt­sminister wie Thomas Drozda werkten in Straches jetzigem Büro
Viel Prominenz im Palais Dietrichst­ein: Vizekanzle­r Hubert Gorbach und Susanne Riess-Passer oder Kanzleramt­sminister wie Thomas Drozda werkten in Straches jetzigem Büro
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Die „Abhöraffär­e“im Palais Dietrichst­ein droht nun zu platzen

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