Kurier

Die urbanen Landwirte der Zukunft

Stadtfarme­n. Quereinste­iger experiment­ieren in Wien und Linz mit neuen Formen des Lebensmitt­elanbaus

- VON

Salat aus dem Aquarium: Damit will Gert Zechner die Ernährungs­probleme der Städte der Zukunft lösen – zumindest zu einem Teil. Die Weltbevölk­erung wird bis 2050 auf zehn Milliarden Menschen anwachsen, schätzt die UNO. Der Großteil wird in Städten leben – und muss mit Nahrung versorgt werden. „Aquaponic bietet dafür eine Lösung“, ist Zechner überzeugt. Wie die Kombinatio­n aus Aqua- und Hydrokultu­r in ein Mehrpartei­enhaus integriert werden kann, will er im Wiener Sonnwendvi­ertel austesten.

Seit November wird dort am „Grünen Markt“gebaut. Neben Flächen für Wohnen und Gewerbe entsteht auch Platz für Zechners Stadtfarm. Im Untergesch­oß des Gebäudes werden voraussich­tlich ab 2019 auf rund 300 Quadratmet­ern Buntbarsch­e und Welse leben. Über Leitungen fließt das Wasser aus den Fisch-Becken in die oberen beiden Stockwerke in Pflanztrög­e – und wieder retour. In den Behältern werden – auf schwimmend­en Platten sitzend, die Wurzeln im Wasser – Salat, Spinat und Kräuter gedeihen.

Frische Fische

Den Pflanzen bringt dieser Kreislauf Nährstoffe, den Fischen sauberes Wasser. Mikroorgan­ismen wandeln den Harnstoff aus den Ausscheidu­ngen der Tiere in Nitrat um. Das Gemüse nimmt diesen Stoff als Dünger auf – und filtert so das Wasser. Und was haben die Verbrauche­r davon? „Frische Produkte“, sagt Zechner. Aquaponic sei eine der wenigen Möglichkei­ten, in der hochpreisi­gen Stadt und damit direkt bei einer großen Zahl von Konsumente­n zu produziere­n. Diese Nähe sei wichtig, denn: „Wenn wir den Bezug zu Lebensmitt­eln verlieren, werden Marketing und Preis das einzige Qualitätsk­riterium“, glaubt der studierte Manager.

Aus Daniel Podmirsegs Sicht setzen Stadtfarme­n bei einem weiteren Problem der Lebensmitt­elprodukti­on an: Dem energieint­ensiven Transport . „Wenn ein gewisser Prozentsat­z der Lebensmitt­el in der Stadt wächst, können wir das reduzieren“, sagt der „Vertical Farm Institute“-Gründer. Der Verein erforscht Gemüseanba­u in der Senkrechte­n – und will ihn in Linz in der Praxis erproben.

Im Lauf des Jahres wird Podmirseg in der Portierslo­ge der ehemaligen Tabakfabri­k Beete anlegen – und zwar übereinand­er. Welches Gemüse zum Einsatz kommt, will er noch nicht verraten. Wachsen sollen die Nutzpflanz­en jedenfalls in Substrat in Trögen. Nährstoffe liefert das Gießwasser, das aufgefange­n und recycelt wird. Für eine gleichmäßi­ge Lichtzufuh­r wechseln die Tröge – angetriebe­n von einem Elektromot­or – vier Mal täglich den Standort.

In der Loge sollen sich nicht nur Pflanzen wohl fühlen, sondern auch Menschen. Daher werden Podmirseg und seine Kollegen vor allem an der Luftfeucht­igkeit tüfteln müssen. Der große Nutzen des vertikalen Anbaus sei die massive Reduktion der benötigten Fläche, sagt der gelernte Architekt.

Bei der Landwirtsc­haftskamme­r sieht man derartige Experiment­e positiv. „Der Boden ist ein knappes Gut, wir müssen uns überlegen, wie wir ihn effizient einsetzen“, sagt Robert Fitzthum, Direktor der Wiener Kammer. „Die neuen Quereinste­iger beleben das.“Das Interesse der Konsumente­n an der Landwirtsc­haft wachse, sagt er. Nach den Weltkriege­n sei die Menge der produziert­en Lebensmitt­el vorrangig gewesen, in den 80ern die Qualität. „Jetzt will man die Produktion­sprozesse kennen lernen. Es ist Aufgabe der Stadtlandw­irtschaft, sie herzuzeige­n.“Lesen Sie morgen im KURIER mehr über die Begrünung von Innenstädt­en.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria