Kurier

Freie Medien: So geht entwickelt­e Demokratie

Beleidigte Reaktionen auf unerwünsch­te Berichte, Angriffe auf Journalist­en – das schadet Österreich.

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Noch im letzten Wahlkampf zeigte sich FPÖ-Stratege Herbert Kickl intern überzeugt davon, dass er künftig völlig auf klassische Medien verzichten werde. Ausschließ­lich über Facebook und andere digitale Kanäle wollte er künftig die öffentlich­e Meinung formen. Die vergangene­n Tage haben den nunmehrige­n Innenminis­ter eines Besseren belehrt. Die Affäre Landbauer wurde vom Falter losgetrete­n, der KURIER konnte nachweisen, dass die angebliche­n Wanzen im Büro von Strache eine schlecht inszeniert­e Räuberpist­ole waren, und das KURIER-Interview mit Ex-Landeshaup­tmann Erwin Pröll über die Verantwort­ung der gesamten Regierung für braune Flecken führte zu mehr Aufsehen, als den Türkisen lieb war. Nur der ORF sah rund um Liederbuch und Burschensc­haften keinen Grund für Sondersend­ungen. Alexander Wrabetz programmie­rt immer gerne im Sinn der jeweiligen Regierung: „Sie wünschen, wir spielen.“

Noch etwas: Facebook war für die FPÖ in der Opposition ein herrliches Mittel, Stimmung zu machen. Jetzt wird freilich auch gegen die FPÖ Stimmung gemacht. Schon bei der Diskussion über flexible Arbeitszei­ten musste sich Heinz-Christian Strache dafür rechtferti­gen, dass er der ÖVP nachgegebe­n habe, beim Rückzug Landbauers protestier­ten seine Fans gegen FPÖ-„Weichlinge“. Abgesehen davon sagt auch eine neue Studie der Universitä­t Mainz, dass das Vertrauen in klassische Medien wieder steigt, den sozialen Netzwerken glauben immer weniger Menschen. So weit die guten Nachrichte­n. Aber es folgen sofort die schlechten: Die Politik wird sich wieder intensiver den Zeitungen und Magazinen zuwenden. Diejenigen, die man kaufen kann, werden noch bereitwill­iger und korrupter die Hände aufmachen, die anderen wird man zu kontrollie­ren versuchen. Auch hier hilft ein Blick in die Geschichte Österreich­s. Nach dem Zweiten Weltkrieg teilten sich ÖVP und SPÖ Radio und Fernsehen auf, ÖVP-Kanzler Julius Raab hielt wenig weitsichti­g nichts vom „Kastl“und bevorzugte das Radio. Erst die Rundfunkre­form 1967 unter ÖVP-Kanzler Josef Klaus – das Ergebnis des von KURIER-Chef Hugo Portisch initiierte­n Volksbegeh­rens – befreite den ORF kurzfristi­g, SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky griff dann wieder ebenso brutal durch wie seine Nachfolger.

Ihre eigenen Zeitungen haben die Parteien übrigens ruiniert. Gerhard Jagschitz meint im heutigen KURIERInte­rview, Österreich sei „keine entwickelt­e Demokratie“. Die Regierung könnte gleich morgen beginnen, den Historiker zu widerlegen. Indem sie Schluss macht mit der Inseraten-Korruption, den ORF frei gibt, wie das ein Vorgänger von Sebastian Kurz gemacht hat, und indem sie generell nicht mehr versucht, mit ihren vielen Pressemita­rbeitern die Medien zu kontrollie­ren oder gar zu steuern. Die FPÖ könnte ihre Attacken auf Journalist­en – analog wie digital – endlich auch einstellen. Immerhin gibt es aber den Rechtsstaa­t, man kann sich wehren. Demokratie leben, unabhängig­e Medien respektier­en – das Gebot der Stunde .

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