„GroKo“: Union und SPD machten es spannend
Union und SPD. Bei Gesundheit und Arbeitsverträgen hakt’s, die Koalitionsgespräche ziehen sich
Die Verhandler brauchten doch länger als geplant, heute gehen die Koalitionsgespräche weiter
Martin Schulz sieht müde aus, dabei hat der Verhandlungstag gerade erst begonnen. Sonntagvormittag, der SPD-Chef tritt im WillyBrandt-Haus vor die Presse, und beginnt langsam aufzuzählen, wo sich Union und SPD näher stehen und wo nicht. ZumBeispiel beim Thema Miete, „ähh beim Mietmarkt“, bessert er nach. Schulz legt immer wieder Pausen ein, überlegt kurz. Er wirkt angeschlagen.
Ob man heute zu einem Ergebnis kommen wird? „Ich würde Ihnen gerne sagen, dass das der letzte Verhandlungstag ist, aber das werden wir im Laufe des Tages sehen.“Kurz darauf ließ Kanzlerin Merkel wissen, dass sie schwierige Verhandlungsstunden erwartet.
Beide sollten Recht behalten. Am Abend kündigt SPDGeneralsekretär Lars Klingbeil an, dass die Verhandlungen amMontagvormittag fortgesetzt werden. Bei einigen Themen sind die Parteien noch uneins. Bekannt ist: Es knirscht in der Gesundheitspolitik und beim Arbeitsrecht.
Einigungen
Dabei hat die Woche gut begonnen: Das Streitthema Migration wurde rasch bearbeitet. Am Ende kam ein bisschen Familiennachzug für Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus heraus: Bis 31. Juli bleibt der Nachzug ausgesetzt, danach dürfen 1000 Menschen pro Monat nachkommen, plus Härtefallregelung. SPD-Vize Ralf Stegner war dennoch unzufrieden und schimpfte auf die CSU, die im „blindwütigen Wettbewerb mit der AfD“stehe.
Weniger Zwischentöne gab es bei den Themen Pflege und Rente: 8000 zusätzliche Pflegekräfte und stabile Beiträge für Rentner soll es geben. Zudem will man die Mindestrente für Geringverdiener einführen – ein altes Versprechen, das schon im Koalitionsvertrag 2013 stand, der damaligen SPDArbeitsministerin Andrea Nahles aber verwehrt blieb.
Nahles hatte bereits am Parteitag angekündigt, sie werde verhandeln „bis es quietscht“. Ihr Slang färbte scheinbar auch auf Parteigenossen ab. Für Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, musste es ebenfalls noch quietschen – „das haben wir unseren Mitgliedern versprochen“. Immerhin durfte sie bereits am Donnerstag einen Erfolg verkünden: zehn Milliarden Euro sollen künftig in Kitas, Schulen, Hochschulen, berufli- che Bildung und Digitalisierung der Schulen fließen.
So weit so gut, doch die harten Brocken sind noch nicht ausverhandelt. Zum Beispiel das Ende der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen – Arbeitgebern ist es so möglich, Mitarbeiter schneller loszuwerden. Oder die Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin: Die SPD will die Arzthonorare für Privat- und Kassenpatienten angleichen. Diese Themen haben sich die Verhandler fürs Finale aufgehoben.
Starren auf Fenster
Womit wir wieder beim Sonntag und zurück in der SPD-Zentrale wären. Nach Merkels und Schulz’ Abgang in die Verhandlungsräume bleibt es lange still. Keine Statements, Journalisten starren auf die Glasfenster des Willy-Brandt-Hauses. Sie verfolgen den Aufzug, der stetig rauf- und runterfährt. Kommt endlich einer der Verhandler? Fehlanzeige.
Dafür sickert durch, dass sich die 15er-Runde der Unterhändler beim Problemthema Wohnraum geeinigt hat: Mehr Geld für den sozialen Wohnbau, plus die Forderung der Union nach einem Baukindergeld, also finanziellen Anreizen zum Erwerb eines Eigenheims, seien vereinbart worden.
Das Starren auf die Aufzüge geht dennoch weiter. Es kommt zwar lange niemand runter, dafür rauf: CDU-Innenminister Thomas de Maizière und Armin Laschet, Ministerpräsident von NRW, eilen am Nachmittag schnellen Schrittes ins SPD-Haus.
Es wird also noch dauern. Doch während sich manche hier auf einen langen Abend vorbereiten, verlässt eine schnell das WillyBrandt-Haus: Merkel-Liebling und CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner . Via Twitter lässt sie später wissen, dass sie in der Kirche war zum „Auftanken“. Ein paar Stoßgebete, dass der Koalitionsvertrag möglichst bald gelingt, durften da nicht fehlen.