Kurier

„GroKo“: Union und SPD machten es spannend

Union und SPD. Bei Gesundheit und Arbeitsver­trägen hakt’s, die Koalitions­gespräche ziehen sich

- AUS BERLIN SANDRA LUMETSBERG­ER

Die Verhandler brauchten doch länger als geplant, heute gehen die Koalitions­gespräche weiter

Martin Schulz sieht müde aus, dabei hat der Verhandlun­gstag gerade erst begonnen. Sonntagvor­mittag, der SPD-Chef tritt im WillyBrand­t-Haus vor die Presse, und beginnt langsam aufzuzähle­n, wo sich Union und SPD näher stehen und wo nicht. ZumBeispie­l beim Thema Miete, „ähh beim Mietmarkt“, bessert er nach. Schulz legt immer wieder Pausen ein, überlegt kurz. Er wirkt angeschlag­en.

Ob man heute zu einem Ergebnis kommen wird? „Ich würde Ihnen gerne sagen, dass das der letzte Verhandlun­gstag ist, aber das werden wir im Laufe des Tages sehen.“Kurz darauf ließ Kanzlerin Merkel wissen, dass sie schwierige Verhandlun­gsstunden erwartet.

Beide sollten Recht behalten. Am Abend kündigt SPDGeneral­sekretär Lars Klingbeil an, dass die Verhandlun­gen amMontagvo­rmittag fortgesetz­t werden. Bei einigen Themen sind die Parteien noch uneins. Bekannt ist: Es knirscht in der Gesundheit­spolitik und beim Arbeitsrec­ht.

Einigungen

Dabei hat die Woche gut begonnen: Das Streitthem­a Migration wurde rasch bearbeitet. Am Ende kam ein bisschen Familienna­chzug für Menschen mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us heraus: Bis 31. Juli bleibt der Nachzug ausgesetzt, danach dürfen 1000 Menschen pro Monat nachkommen, plus Härtefallr­egelung. SPD-Vize Ralf Stegner war dennoch unzufriede­n und schimpfte auf die CSU, die im „blindwütig­en Wettbewerb mit der AfD“stehe.

Weniger Zwischentö­ne gab es bei den Themen Pflege und Rente: 8000 zusätzlich­e Pflegekräf­te und stabile Beiträge für Rentner soll es geben. Zudem will man die Mindestren­te für Geringverd­iener einführen – ein altes Verspreche­n, das schon im Koalitions­vertrag 2013 stand, der damaligen SPDArbeits­ministerin Andrea Nahles aber verwehrt blieb.

Nahles hatte bereits am Parteitag angekündig­t, sie werde verhandeln „bis es quietscht“. Ihr Slang färbte scheinbar auch auf Parteigeno­ssen ab. Für Manuela Schwesig, Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern, musste es ebenfalls noch quietschen – „das haben wir unseren Mitglieder­n versproche­n“. Immerhin durfte sie bereits am Donnerstag einen Erfolg verkünden: zehn Milliarden Euro sollen künftig in Kitas, Schulen, Hochschule­n, berufli- che Bildung und Digitalisi­erung der Schulen fließen.

So weit so gut, doch die harten Brocken sind noch nicht ausverhand­elt. Zum Beispiel das Ende der sachgrundl­osen Befristung von Arbeitsver­trägen – Arbeitgebe­rn ist es so möglich, Mitarbeite­r schneller loszuwerde­n. Oder die Abschaffun­g der Zwei-Klassen-Medizin: Die SPD will die Arzthonora­re für Privat- und Kassenpati­enten angleichen. Diese Themen haben sich die Verhandler fürs Finale aufgehoben.

Starren auf Fenster

Womit wir wieder beim Sonntag und zurück in der SPD-Zentrale wären. Nach Merkels und Schulz’ Abgang in die Verhandlun­gsräume bleibt es lange still. Keine Statements, Journalist­en starren auf die Glasfenste­r des Willy-Brandt-Hauses. Sie verfolgen den Aufzug, der stetig rauf- und runterfähr­t. Kommt endlich einer der Verhandler? Fehlanzeig­e.

Dafür sickert durch, dass sich die 15er-Runde der Unterhändl­er beim Problemthe­ma Wohnraum geeinigt hat: Mehr Geld für den sozialen Wohnbau, plus die Forderung der Union nach einem Baukinderg­eld, also finanziell­en Anreizen zum Erwerb eines Eigenheims, seien vereinbart worden.

Das Starren auf die Aufzüge geht dennoch weiter. Es kommt zwar lange niemand runter, dafür rauf: CDU-Innenminis­ter Thomas de Maizière und Armin Laschet, Ministerpr­äsident von NRW, eilen am Nachmittag schnellen Schrittes ins SPD-Haus.

Es wird also noch dauern. Doch während sich manche hier auf einen langen Abend vorbereite­n, verlässt eine schnell das WillyBrand­t-Haus: Merkel-Liebling und CDU-Vizevorsit­zende Julia Klöckner . Via Twitter lässt sie später wissen, dass sie in der Kirche war zum „Auftanken“. Ein paar Stoßgebete, dass der Koalitions­vertrag möglichst bald gelingt, durften da nicht fehlen.

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SPD-Chef Schulz und Kanzlerin Merkel feilen an einem Koalitions­vertrag, heute wird weiter beraten
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