Kurier

Kurz’ Bewährungs­probe steht noch aus

Neu-Erscheinun­g. Ein deutscher BILD-Reporter sprach erstmals mit den Eltern des Kanzlers

- – CHRISTIAN BÖHMER

Kann man sich Sebastian Kurz als halsbreche­rischen jungen Kerl denken, der sich aus Spaß in Lebensgefa­hr bringt? Ist das vorstellba­r?

Es ist nicht nur vorstellba­r, es war so, die Sache ist nur ein paar Jahre her. Kurz’ Mutter Elisabeth erzählt davon: „Dann sind wir baden gegangen ins Freibad. Und er ist ohne Schwimmflü­gel los- gerannt und hat geschrien: ,Mama, schau mal!’. Dann ist er einfach ins Wasser gehüpft und hat gelacht. Dabei konnte er gar nicht schwimmen.“Die Episode mit dem Schwimmbad findet sich in der neuen Kurz-Biografie von Paul Ronzheimer ( Sebastian Kurz: Die Biografie, Herder, 192 Seiten, 24 €). Und die Tatsache, dass der Deutsche als Erster Zugang zu Kurz’ Eltern bekommen hat, ist nicht der einzige Grund, warum seine Biografie interessan­t ist.

Natürlich könnte man einwenden: Ein BILDJourna­list fliegt ein paar Mal nach Wien, trifft Kurz, dessen Eltern und Weggefährt­en und verfasst aus der Ferne ein Porträt?

Doch in dem Fall ist die Sache anders. Als Kriegsrepo­rter kennt Ronzheimer Kurz seit Jahren. Der Maidan, die Flüchtling­skrise – das waren Situatione­n, in denen er begann, Kurz spannend zu finden. Zumal man in der Sache oft anderer Meinung war. „Ich habe viel mit ihm gestritten“, sagt Ronzheimer zum KURIER. Warum ein Buch über Kurz? „Weil er einiges verkörpert, wonach sich viele Deutsche sehnen. Er ist jung, spricht eine einfache Sprache und vertritt in der Flüchtling­sdebatte Inhalte, die ein Gegenmodel­l zu Angela Merkel darstellen, ohne dabei in Richtung AfD abzudrifte­n. Deshalb ist Kurz in deutschen Talkshows auch so begehrt.“

Ronzheimer gelingt es, Schlüsselm­omente im Leben des Sebastian Kurz auszumache­n und zu erklären, wie der ÖVP-Chef tickt. So ist interessan­t zu lesen, wie wenig selbst engste Mitarbeite­r daran glaubten, dass sich der anfangs angefeinde­te Integratio­nsstaatsse­kretär länger würde halten könnte.

Kurz’ Pressespre­cher, heute einer seiner engsten Berater, wollte rasch den Job wechseln: „Ich dachte damals: Ich muss aufpassen, dass ich auf keinem Foto drauf bin, mache den Job schnell zu Ende und bin dann weg.“

Lesenswert sind auch die Passagen über deutsche Politiker. Über den väterliche­n Freund Frank-Walter Steinmeier, der sich später abwandte. Über den gefallenen Karl-Theodor zu Guttenberg – und was er Kurz riet.

Ronzheimer ist überzeugt, dass Österreich­s Kanzler am Anfang seiner Herausford­erungen steht. Ob er „eine historisch­e Figur“oder nur eine „Laune der vom Althergebr­achten genervten Wähler“bleibe, werde unter anderem damit entschiede­n, wie Kurz mit „Elitenfein­dlichkeit und Globalisie­rungsangst“umgehe. Es sind die Ängste, die auch den Koalitions­partner FPÖ treiben. Wohl deshalb schreibt Ronzheimer: „Kurz’ Bewährungs­probe liegt noch vor ihm.“

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Ronzheimer über Kurz: „Wir haben viel miteinande­r gestritten“

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