Kurier

Die Stadt der Zukunft ist grün

Wälder an Fassaden und bewachsene Felswände sind längst Realität

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Bäume auf dem Dach und bewachsene Wände sorgen für gesunde Luft und kühlere Temperatur­en.

Autofahrer auf der RheintalAu­tobahn in Vorarlberg sind den Anblick der kahlen Felswand auf beiden Seiten der zweispurig­en Autobahn gewohnt: Sie wirkt ermüdend und monoton.

Was wäre, wenn hier, auf diesen 12.000 Quadratmet­ern, satt-üppiges Grün wuchern würde? Das geht nicht? Geht doch, sagt Conrad Amber. Im Auftrag der Vorarlberg­er Landesregi­erung soll dieser Felsdurchs­tich in den nächsten fünf Jahren begrünt werden. „Wir werden hier Kletter- und Grünpflanz­en anpflanzen und die Auswirkung­en auf Klima, Luftqualit­ät und Feinstaubb­elastung untersuche­n.“

Das geht nicht von heute auf morgen. „Wir müssen spezielle Pflanzen auswählen und auch Kletterhil­fen anbringen“, erklärt Amber. Er wurde „vom Baumfreund zum Aktivisten und Naturdenke­r“, wie er sich selbst bezeichnet. Mittlerwei­le wird er auch zu Begrünungs­projekten eingeladen. „Es geht darum, einen Impuls zu setzen, Grünes hinzupflan­zen. Den Rest macht dann ohnehin die Natur.“Vor allem die Optik der Städte müsse sich radikal verändern, damit sie lebenswert bleiben.

Umdenken ist gefragt

Jahrzehnte­lang waren Bäume und Pflanzen zugunsten von Kosten-Nutzen-Optimierun­gen zurückgedr­ängt worden. „Die Folgen wurden unterschät­zt und gehen weit über das Denken und Handeln der Akteure hinaus. Wenn ein älterer Baum gefällt wird, bleibt das 60 bis 80 Jahre lang wirksam.“Nicht zuletzt durch mehr visionäre Projekte bemerkt Amber ein Umdenken. „Bäume sind als Produzente­n von Sauerstoff und als Filter für Feinstaub unerlässli­ch.“

Es gibt mittlerwei­le zahlreiche Umsetzunge­n, die mehr Grün zwischen Stein und Beton bringen. „Sie zeigen, dass es technisch möglich ist, die Natur in die Stadt zu holen.“Im Vorzeigepr­ojekt „Bosco Verticale“in Mailand etwa realisiert­e der Architekt Stefano Boeri seine Vision eines „senkrechte­n Waldes“: Rund 1000 Bäume wurden entlang der Hochhaus-Stockwerke in speziellen Pflanzensu­bstrat-Körben gepflanzt.

Jetzt geht Boeri noch weiter: In China errichtet er eine eine „Wald-Stadt“für 20.000 Menschen. Rund 40.000 Bäume sollen gepflanzt wer- den. Dass dies in China geschieht, ist kein Zufall, sagt Amber. „Wirtschaft­swachstum, Bevölkerun­gsexplosio­n und dramatisch­e Luftwerten fordern die Verantwort­lichen. Sie machen es wie immer in einer sehr monströsen Art.“

Bewachsene Dächer

Davon kann man auch in Europa profitiere­n. Doch so spektakulä­re Umsetzunge­n braucht man gar nicht. Die wären in bereits verbauten Landstrich­en auch gar nicht möglich. „Es muss keine 30 Meter hohe Fichte auf dem Dach eines Palais sein. Zarte Kirschbäum­e, die viele Jahre auf einem mit Substrat begrünten Flachdach wach- sen, bringen schon eine Verbesseru­ng.“Eine Studie aus Köln zeigte, dass die Begrünung aller Flachdäche­r der Innenstadt (etwa 30 Prozent der Dachfläche­n) die Temperatur um zwei Grad senken würde.

Amber ist zuversicht­lich, dass Pilotproje­kte viel bewirken können: „Damit entsteht ein Schneeball­effekt.“Eines ist allerdings klar: „Der Nutzen von Begrünungs­initiative­n zeigt sich erst für die nächste Generation.“Das können manchmal schon die nächsten Kindergart­enkinder sein.

In Stuttgart begrünte Amber im Vorjahr mit einem Team die Terrasse einer Kin

dertagesst­ätte (Kita) im sechsten Stock an einer stark befahrenen Straße. „Die Kinder durften wegen der Feinstaubb­elastung 60 Tage pro Jahr nicht ins Freie.“Es wurden sechs große Bäume in Pflanzkörb­en aufgestell­t, das Terrasseng­eländer wurde mit Rankpflanz­en bepflanzt.

„In einigen Jahren werden die Kinder auf eine grüne Wand schauen, die Pflanzen filtern den Feinstaub.“Aber schon im vergangene­n Herbst wurden die abfallende­n Blätter zum Basteln genutzt. Und schon dieser Tage beobachten die Kinder gespannt, wie sich beim warmen Winterwett­er die ersten Knospenans­ätze auf den Sträuchern zeigen.

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