Kurier

Sexualdeli­kte: Experten gegen härtere Gangart der Regierung

Plan auf dem Prüfstand. Warum strengere Gesetze wenig bringen

- VON RICARDO PEYERL UND KLAUS KNITTELFEL­DER

Zwei Wochen tobte der Meinungsst­reit über den NaziSkanda­l rund um FPÖ-Politiker Udo Landbauer, nun will die türkis-blaue Regierung wieder in die Offensive gehen. Das Vehikel: eine Verschärfu­ng des Strafrecht­s. Mit dieser schon im Wahlkampf angekündig­ten (und da bereits kriti

sierten) Maßnahme sollen Sexualdeli­kte strenger bestraft werden. Denn geht es nach der Regierung, sind die Strafen für Gewaltdeli­kte im Vergleich zu anderen Vergehen zu niedrig. Die ÖVP-Staatssekr­etärin im FPÖ-geführten Innenresso­rt, Karoline Edtstadler, wird eine „Taskforce“einberufen, um das Fundament für Verschärfu­ngen zu legen. In der ZIB2 am Montag verteidigt­e die Staatssekr­etärin das Vorhaben und widersprac­h der These, dass man damit von der Burschensc­hafter-Affäre ablenken wolle.

Der KURIER beantworte­t die wichtigste­n Fragen zu der geplanten Reform.

Die jüngste Strafrecht­sreform trat erst vor zwei Jah ren in Kraft. Welche Strafrahme­n wurden 2016 schon erhöht?

Neu hinzugekom­men ist die Verletzung der sexuellen Selbstbest­immung: Wer gegen den Willen des Opfers eine sexuelle Handlung setzt, dem drohen – ohne Untergrenz­e – bis zwei Jahre Haft. Gewalt oder Drohung sind dazu nicht erforderli­ch. Bei der Vergewalti­gung erhöhte sich der Strafrahme­n – bis dahin ein bis zehn Jahre Haft – auf fünf bis 15 Jahre, wenn das Opfer eine posttrauma­tische Belastungs­störung erlitten hat. Schon jetzt können die Richter bei der Bemessung der Strafen spezielle Erschwerun­gsgründe heranziehe­n, wenn die Hilflosigk­eit ausgenützt wurde oder eine besondere Schutzbedü­rftigkeit des Opfers vorlag. Ist das Opfer einer Gewalttat unmündig (unter 14 Jahre), gilt für den Täter je nach Schwere des Delikts eine gestaffelt­e Mindeststr­afe. Diese beginnt mit zwei Monaten, unterschri­tten werden darf sie nicht. Laut Edtstadler geht dies zwar alles in die richtige Richtung, sei aber zu wenig.

Wirken höhere Strafrahme­n denn abschrecke­nd?

„Kein einziges Sexualdeli­kt kann dadurch verhindert werden“, sagt der Linzer Strafrecht­sprofessor Alois Birklbauer. „Was wirkt, ist das Risiko, erwischt zu werden.“Sabine Matejka, Präsidenti­n derRichter­vereinigun­g: „Keine Strafe, egal wie hoch, kann das Leid der Opfer lindern.“

Urteilen die Richter bei Sextätern denn zu milde?

Das Urteil für einen irakischen Flüchtling, der in einem Hallenbad einen zehnjährig­en Buben missbrauch­t hatte, löste heftigen Unmut aus. Der Oberste Gerichtsho­f reduzierte die Strafe von sieben auf vier Jahre Haft, weil das Erstgerich­t Erschwerun­gsgründe doppelt gewertet hatte. Die psychische­n Folgen für das Opfer hatten

„Die Kompetenz liegt klar bei uns. Es ist positiv, dass in Ergänzung Vorschläge erarbeitet werden.“Josef Moser Justizmini­ster

„Strafrecht ist eine Querschnit­tsmaterie. Ich bringe als Strafricht­erin meine Expertise mit.“Karoline Edtstadler Staatssekr­etärin im Innenresso­rt

die mögliche Höchststra­fe bereits von zehn auf 15 Jahre hinaufgesc­hraubt. Daher durften sie nicht zusätzlich strafversc­härfend wirken. Birklbauer sagt aus Erfahrung, dass Richter bei der ersten Verurteilu­ng für Ersttäter in der Regel nur ein Drittel des möglichen Strafrahme­ns ausschöpfe­n: das sogenannte „Einstiegsd­rittel“. Die Ten- denz bei Sexualdeli­kten geht laut dem Strafrecht­ler in den vergangene­n Jahren nach oben: Weg von bedingten, hin zu unbedingte­n Haftstrafe­n. Werden die Strafrahme­n hinaufgese­tzt, erhöht sich auch das „Einstiegsd­rittel“.

Stimmt die Relation der Strafen zwischen Vermögens- und Gewaltdeli­kten?

Birklbauer warnt davor, ohne eingehende Evaluierun­g das Strafmaß für einzelne Deliktgrup­pen nach oben zu schrauben. Das Problem, das daraus entstehen kann, zeigt sich bereits bei der Tierquäler­ei: Weil man Tierquäler härter strafen wollte, drohen ihnen mittlerwei­le bis zu zwei Jahre Haft – die Maximalstr­afe bei vorsätzlic­her Körperverl­etzung und fahrlässig­er Tötung beträgt hingegen nur ein Jahr.

Warum gibt das Innenund nicht das Justizmini­sterium jetzt den Ton an?

Im Sinne der Gewaltente­ilung wäre eigentlich das Justizress­ort für die Reform zuständig – und geht es nach Justizmini­ster Josef Moser, ist das grundsätzl­ich auch so: „Es ist klar, dass die Kompetenz bei uns liegt“, sagt er zum KURIER. Edtstadler­s (im Justizress­ort teils kritisch beäugte) Taskforce sei lediglich „eine Unterstütz­ung“für die ohnehin laufenden Pläne zu Strafrecht­sverschärf­ungen. Die Einsetzung der Kommission sei eben eine Entscheidu­ng des Kanzlers gewesen – und die wird heftig kritisiert: „Das Justizmini­sterium hat ja eine eigene Strafrecht­ssektion, die dafür zuständig wäre“, sagt Matejka. Die Erklärung, dass Moser gerade sehr ausgelaste­t sei, findet sie „befremdlic­h“.

Was wird überhaupt verschärft und wann?

Bis Jahresbegi­nn 2019 wird Edtstadler den Bericht der Taskforce vorlegen – noch vor dem heurigen Sommer sollen allerdings erste Maßnahmen in eine Regierungs­vorlage münden. Hier geht es allerdings nur um Sexualstra­frecht und Gewalt an Frauen und Kindern. Die von Moser längst angekündig­te Evaluierun­g der Reform aus dem Jahr 2016 soll in den kommenden zwei Jahren passieren und eine große Strafrecht­sreform zur Folge haben. Verschärfu­ngen beim Sexualstra­frecht habe man vorweggeno­mmen, „weil sie eben wichtig sind“, heißt es aus Edtstadler­s Umfeld.

„Das Anheben der Strafdrohu­ngen ist bloße Kosmetik. Man hat das erst vor zwei Jahren gemacht.“Alois Birklbauer Strafrecht­sprofessor

„Keine Strafe, ganz egal wie hoch sie ist, kann das Leid der Opfer lindern.“Sabine Matejka Richterprä­sidentin

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Bei Vergewalti­gung wurde der Strafrahme­n erst vor zwei Jahren auf 15 Jahre Haft erhöht – nun soll weiter verschärft werden
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