Kurier

Vor Erweiterun­gsrunde: Die EU nimmt sich wieder des Balkans an

Kommission­s-Strategie. Ab 2025 könnten sechs neue Staaten zur EU stoßen. Deren größter Bremsfakto­r: Schwere Mängel bei der Rechtsstaa­tlichkeit

- – INGRID STEINER-GASHI, STRASSBURG

Der Schock über Großbritan­niens Wunsch, die EU zu verlassen, ist vorüber. In der Europäisch­en Kommission, im ideengeber­ischen Herz der Union, arbeitet man seither mit umso größerer Verve daran, die EU in absehbarer Zeit nicht schrumpfen, sondern im Gegenteil sogar wieder wachsen zu lassen: Der westliche Balkan – Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowin­a, Albanien, Mazedonien und Kosovo – rückten wieder in den Fokus Brüssels.

Mehr oder weniger vage Beitrittsp­erspektive­n bietet die EU den sechs Ländern schon seit Jahren. Mit der kleinen Adria-Republik Montenegro etwa verhandelt die EU schon seit sechs Jahren über einen Beitritt, mit Serbien seit 2014. Doch mit der heute, Dienstag, im EU-Parlament in Straßburg präsentier­ten neuen Balkan-Strate- gie der Kommission soll die Schubkraft für die so genannten Westbalkan-6 erneuert und massiv verstärkt werden.

Als ein frühestmög­liches Beitrittsd­atum hat Kommis- sions-Chef Präsident JeanClaude Juncker 2025 in Aussicht gestellt. Das würde bedeuten: Alle vor dem Beitritt auszuhande­lnden Bedingunge­n müssten bis zum Jahr 2023 unter Dach und Fach sein. „Das ist eine sehr ehrgeizige Zeitvorgab­e“, glaubt Steven Blockmans. Der Balkan und EU-Experte des Brüsseler Thinktanks „Centre for European Policy Studies“(Ceps) sieht eine Reihe von Herausford­erungen, die die Staaten auf ihrem Kurs Richtung EU zu bewältigen haben: „Der Mangel an Rechtsstaa­tlichkeit in allen sechs Ländern, zusammen mit dem steten Exodus der gebildeten Schichten aus diesen Regio- nen und die riesige wirtschaft­liche Kluft zwischen ihnen und der durchschni­ttlichen Wirtschaft­sleistung der EU-Staaten – all das zusammen sind massive Hinderniss­e für eine reibungsfr­eie Integratio­n der sechs Staaten in die EU in absehbarer Zukunft.“

Pole Position

Warum also dann überhaupt ein Datum? Als Orientieru­ngspunkt sei es hilfreich, meint Blockmans, „Serbien und Montenegro könnten es erreichen, wenn sie bis dahin alle Voraussetz­ungen erfüllen.“Eine davon lautet: Alle Probleme, die Serbien mit seinem Nachbarn Kosovo hat, müssen vor einem Beitritt gelöst werden. Überhaupt hat die EU klargemach­t: Alte Fehler, wie etwa in Zypern oder beim Beitritt Sloweniens und Kroatiens, will die EU bei der kommenden Erweiterun­gsrunde nicht mehr wiederhole­n. Nachbarsch­aftskonfli­kte sollen nicht in die Europäisch­e Union importiert werden. Derer gibt es auf dem westlichen Balkan nicht wenige, andere Probleme kommen noch hinzu: vom Namensstre­it um Mazedonien, einem dysfunktio­nalen BosnienHer­zegowina bis hin zur überborden­den Korruption.

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