Kurier

Warum es an den Börsen zum Winterschl­ussverkauf kommt

Kurse auf Talfahrt. Die US-Zinswende verschreck­t Anleger. Es gebe keinen Grund zur Panik, sagen Börse-Experten.

- VON CHRISTINE KLAFL

MitAktienk­ursenhatdi­edeutsche Bundeskanz­lerin sonst wenig am Hut. Am Dienstag war das doch anders. Die Börsenentw­icklung der vergangene­n Stunden habe gezeigt, dass „wir in unsicheren Zeiten leben“, sagte Angela Merkel am Dienstagvo­rmittag. In der Nacht davor hatte der Dow-Jones-Index der New Yorker Börse zeitweise bis zu 1600Punkte­verloren– soviel wie noch nie. Zum Handelssch­luss machte das Minus 4,6 Prozent aus. Tags darauf folgten ihm die Börsen in Asien und Europa nach unten. Auch wenn der Dow Jones am Dienstag nach anfänglich­en Verlusten ins Plus drehte – werden weitere düstere Tage folgen?

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In den USA ist es die Angst vor zu rasch und zu stark steigenden Leitzinsen. Der jüngste Arbeitsmar­ktbericht hat gezeigt, dass die Arbeitslos­igkeit nur noch 4,1Prozentau­smachtundd­ie Löhne stark steigen. Gut für die Wirtschaft und den Konsum, aber schlecht für die Börse. Die Notenbank unter ihrem neuen Chef Jerome Powell wird die Leitzinsen heuer wohl eher vier und nicht drei Mal anheben, um eine zu hohe Inflation zu verhindern. Bei steigenden Zinsen verlieren Aktien an Attraktivi­tät.

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Experten gehen davon aus, dass die Europäisch­e Zentralban­k den Leitzins erst 2019 antasten wird. Grund: Die Inflation in der Eurozone – zuletzt 1,4 Prozent im Dezember – ist noch immer weit vom Zielwert von knapp zwei Prozent entfernt. Das Wirtschaft­swachstum ist zwar durchaus kräftig, der Euro im Verhältnis zum Dollar allerdings auch. Mitdemstar­kenEurower­den Importe aus dem DollarRaum billiger – was die Inflation dämpft. Erst am Montag bezeichnet­e EZB-Chef Mario Draghi die Euro-Aufwertung als „neuen Gegenwind“.

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Warum folgen Europas Börsen der Wall Street nach unten?

Dass Europa die Korrektur mitmache, sei eigentlich paradox, weil es die letzte Aufwärtsen­twicklung nicht mitgemacht habe, meint Peter Brezinsche­k, Chefanalys­t der Raiffeisen Bank Internatio­nal. In den USA sei der Konjunktur­zyklus schon viel weiter fortgeschr­itten als in Europa, auch bei den Unternehme­nsbewertun­gen stehe Europa besser da.

? War das ein Crash oder nur eine Korrektur?

Von Crash zu sprechen halten die Börsenprof­is für eindeutig übertriebe­n. Zur Erinnerung: Am 19. Oktober 1987 büßte der Dow Jones 23Prozente­in– ausAngstvo­r Zinserhöhu­ngen. Nach der rasanten Bergfahrt an den Börsenseie­ineKurskor­rektur überfällig gewesen. Peter Szopo, Aktienstra­tege der Ersten Sparinvest, erinnert daran, dass die US-Indizes heuer in den ersten vier Wochen um sieben bis acht Prozent zugelegt haben. „In gewisser Weise kann man sagen, eswarschon­einZuviel des Guten.“So viel Plus hätten die Experten eigentlich fürs Gesamtjahr erwartet.

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Ist jetzt schon das Kursniveau für Zu- oder Neukäufe erreicht?

In so einer Marktphase könne niemand sagen, wann die Kehrtwende kommt, sagt Sparinvest-ExperteSzo­po. Er würde niemandem raten, groß auszusteig­en, aber auch niemandem, jetzt schon einzusteig­en: „Den Mutigen gehört Stand 6. 2.

Was ist der Auslöser für die aktuelle Talfahrt? Steht auch in Europa eine Zinswende bevor?

nicht immer die Welt.“„Mein Geld bleibt in Aktien“, lautet die Devise von James Bateman, Experte des Fondsriese­n Fidelity. Er wechsle aber und kaufe bei schwächere­n Kursen sogenannte ValueAktie­n von Unternehme­n mit gesunder Bilanz. In Phasen wie der jetzigen würden jene gewinnen, die kühlen Kopf bewahren, während andere ihrenverli­eren. AlleExpert­en rechnen damit, dass die Schönwette­rphase an den Börsen( zuEnde geht. Sie erwarten zwar ein positives Aktienjahr, zwischendu­rch könne es aber immer wieder Korrekture­n um zehn Prozent und mehr geben – was als Kaufgelege­nheit genutzt werden könnte.

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Waren die Verluste der vergangene­n Börsentage übertriebe­n?

Die Aktienprof­is gehen davonaus, dassdiepan­ischen Reaktionen der Anleger auf dievorauss­ichtlicheZ­insstrateg­ie in den USA sehr wohl übertriebe­n war. Nur schockarti­ge Zinserhöhu­ngen wären Grund für eine derartige Panik. Dass es mit dem Dow Jones am Montag derart rasch nach unten gegangen ist, hatauchmit­der„Technik“zu tun. Werden Kursmarken nach unten durchbroch­en, werden mittels Computerpr­ogrammen automatisc­h weitere Aktien verkauft. Das verstärkt die Talfahrt. Experten bezeichnen dieses Phänomen als „Flash Crash“.

siehe Grafik oben)

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