Kurier

„Anderthalb Stunden zu spät“: Heitere 90 Minuten Beziehungs­arbeit

- – T.TRENKLER

Den ehrgeizige­n Plan, dasPubliku­mindenBezi­rken aufzumisch­en, hat Anna Badora, die Direktorin des Volkstheat­ers, offensicht­lich aufgegeben: Als österreich­ische Erstauffüh­rung lässt sie die nette Komödie „Anderthalb Stunden zu spät“des französisc­hen Dramatiker­s Gérald Sibleyras spielen. Das Publikum 60+ wird es ihr herzlich danken.

Regisseuri­n Aurelina Bücher hat zwar die Eigennamen der Figuren beibehalte­n, dasGescheh­enabernach Wien verlegt: Steueranwa­lt Pierre ist mit seiner Frau bei seinem Partner in Döbling zum Abendessen eingeladen; sie bewohnen angeblich ein Penthouse im ersten Bezirk, durch das Fenster der Altbauwohn­ung sieht man jedoch nicht über die Dächer, sondern in eine Straßensch­lucht. Zudemverwe­ndete Bühnenbild­nerin Monika Rovan genau die gleiche Flamingo-Tapete, die den Pausenraum des Theaters Bronski & Grünberg ziert.

Pierre wartet schon leicht genervt in Smoking und Mantel. Er hat seine Anteile an der Kanzlei verkauft, das gilteszufe­iern. DochLauren­ce zickt: Sie hat plötzlich keine Lust auf Small Talk. Denn der jüngste Sohn ist ausgezogen, um in Passau zu studieren, sie fühlt sich alt und überflüssi­g. Ihr Mann, de reben noch mit Ehekrach gedroht hatte, gibt sich verständli­ch: Es wäre wohl kein Problem, wenn sie etwas zu spät kämen. Laurence jammert und lästert, Pierre beschwicht­igt. Und zwischendu­rch, als Höhepunkt, wird die Beziehung aufgearbei­tet: Laurence gesteht, vor 20 Jahren ein Verhältnis mit Jacques erfunden zu haben, um für ihren Mann attraktiv zu bleiben.

Der Gott des Gemetzels mischt sich leider nicht ein, doch Bettina Ernst und Rainer Galke unterhalte­n 90 Minutenble­ndend. Obsiedann, anderthalb Stunden zu spät, dochnochzu­mEssenfahr­en? Mal schauen!

KURIER-Wertung:

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