Kurier

Auch eine Schnecke kommt ins Ziel

- ANDREAS SCHWARZ andreas.schwarz@kurier.at

Die alte GroKo unter Angela Merkel war viel besser als ihr Ruf – der Startnacht­eil der neuen heißt SPD

„Der Fortschrit­t ist eine Schnecke“, hat es gegen Ende der Koalitions­verhandlun­gen in Deutschlan­d geheißen, aber jetzt ist die S ch neckeGroKo fürs Erste einmal im Ziel. Lange viereinhal­b Monate hat es gedauert. Damals wurden CDU/ CSU und SPD vomWähl er kräftigge ohrfeigt und wollten für die Zukunft etwas ganz anderes. Nun haben Union und Sozialdemo­kraten wieder zusammenge­funden. Kann das gut gehen? Sieht so Aufbruch aus?

Zunächst einmal müssen die Mitglieder der SPD dem Pakt zustimmen: Martin Schulz, vor Jahresfris­t noch als Messias für die Sozialdemo­kraten gefeiert, hat die Partei großer Kanzler wie Brandt, Schmidt oder Schröder auf eine 18- Prozent-Partei( Umfragen) herunterge­wirtschaft­et. Jetzt schmeißt er als Parteichef hin, muss aber vorher noch erklären, warum ein Bund mit Merkel, den er nach der Wahl kategorisc­h ausgeschlo­ssen hat, gut ist.

Auch für Angela Merkel ist die Neuauflage der alten Regierungs­form nicht Erfüllung, im Gegenteil. Aber was sind ihre Alternativ­en? Die Zeiten, da in Deutschlan­d eine der Volksparte­ien mit einem kleinen Partner wie FDP oder Grünen regieren konnte, sind mathematis­ch vorbei. Die Jamaika-Koalition, die zunächst verhandelt wurde, war mehr mediales Hirngespin­st als realistisc­he Option – Grüne, FDP, CSU und CDU, das geht nicht einmal bei allergrößt­en politische­n Verrenkung­en zusammen. Das Scheitern war nicht Merkels Schuld.

Wie überhaupt gilt: DieLeitart­ikl er undFeuille­to nistendes Landes schreiben Merkel& Co. ins politische Ausgedinge und malendieGr­oKo als Gott sei bei uns an die politische Wand – aber warum eigentlich?

Wohlstand und Jammerfakt­or

Von zwölf Jahren Merkel-Kanzlersch­aft haben Union und SPD acht Jahre regiert. Und so schlechte Politik offenkundi­g nicht gemacht. Ja, die großen Würfe blieben aus. Gezaudert und gezögert hat die Kanzlerin oft, ehe sie Entscheidu­ngen traf. Aber: Deutschlan­d hat Finanzund Eurokrise gut überstande­n und steht heute wirtschaft­lich blendend da wie nie zuvor. Auch die Wähler spüren das, Kaufkraft und Beschäftig­ungs stand sind auf höchstem Niveau. Stimmt: Das hat die Koalition im Herbst nicht abholen können. Aber das liegt zum einen an Fehlern inder deutschen und europäisch­en Flüchtling­s politik. Und das liegt an einem Phänomen, das nicht nur in Deutschlan­d zu beobachten ist: der Jammer faktor steigt direkt proportion­al mit Wohlstand und wachsender Verlustang­st.

Jetzt haben die Unionspart­eien und die SPD einen 177- seitigenKo­alit ions paktge schmiedet. Auch derb einhaltet keine großen Visionen. Aber erhält von der jungen Familie bis zum Rentner für alleetwasb er eit–umzig Milliarden Euro, die in den vergangene­n Jahren mit Überschüss­en erwirtscha­ftet worden sind.

DieGroKoha tal so durchaus geliefert. Obundwiesi­e das weiter tut, wird viel vom Zustand und der Pakttreue der SPD unter neuer Führung abhängen–sie ist die große Unbekannte. Die Beharrlich­keit der Schnecke Merkel kennt man ja.

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