Kampf um die Beitragshoheit
Wiener Gebietskrankenkasse lehnt Aufgabenverlagerung zur Finanz ab
Geht es nach der türkis-blauen Regierung, dann soll bei den Sozial versicherungen kein Stein auf dem anderen blieben. Die bestehenden 22 Sozial versicherungsträger sollen auf maximal fünf reduziert werden. Zugleich soll die Einhebung der Abgaben und Beiträge von den Gebiets krankenkassen und anderen Sozial versicherungen (SV) zur Finanz verlagert werden .„ Die neue Finanzverwaltung übernimmt die Ein hebung sämtlicher Lohn abgaben und erteilt Auskünfte an die Arbeitgeber“, heißt es im Regierungsprogramm. „Die Beiträge werden anschließend an die jeweiligen Sozial versicherungsträger verteilt.“
Für Ingrid Reischl, Chefin der„ roten“Wiener Gebiets krankenkasse( WG K K ), ist diese Ankündigung eine Art gefährliche Drohung. „Wenn man die gesamte Beitrags ein hebung und- prüfung zur Finanz verlagert, dann ist das nichts anderes als eine Verstaatlichung des Gesundheitswesens. Wir sehen am negativen Beispiel Großbritannien, wohin das führt, wenn man nur noch vom Finanzminister einen gewissen Betrag zugewiesen bekommt“, sagt Reischl zum KURIER. „Wir befürchten auch, dass die Zweckbindung der eingehobenen Gelder künftig wegfallen könnte. Daher wollen wir die Regierung überzeugen, dass die Verlagerung keinen Sinn macht.“Sowohl „die roten als auch die schwarzen Krankenkassen“seien dieser Ansicht.
Politische Posten
Dazu muss man wissen, dass sich die Sozialversicherungen selbst verwalten und die Funktionäre von der Arbeiterkammer, den GewerkschaftenundderWirtschaftskammer Österreich gestellt werden. Das birgt viel politischen Sprengstoff.
Außerdem muss man wissen, dass die Sozial versicherungen im Jahr 2016 rund 39,4 Milliarden an vorgeschriebenen Beiträgen und Abgaben eingehoben haben. Das ist eine Erfolgsquote von 99,7 Prozent. Nur in Wien ist sie marginal niedriger.
Derzeit läuft das Prüfungssystem so: Sowohl die Finanz als auch die Gebiets krankenkasse führen so genannte gemeinsame Prüfungen aller lohnabhängigen Abgaben( GPL A) durch. Dabei werden neben der korrekten Anmeldung und der Zahlung der SV- und Pensions-Beiträge auch die Lohnsteuer und die diversen Zuschläge überprüft. Sowohl die Sozial versicherungen als auch die Finanz prüfen die Einstufung der Versicherten bezüglich der rund 800 Kollektiv verträge. Bei Letzterem schreiben sich die Sozial versicherungen selbst höhere Kompetenz zu.
Allein die WGKK hat 90 Prüfer im Einsatz. „Unsere Prüfer haben strenge Zielvorgabenundsindaucheffizienter“, behauptet Reischl. Während die SV-Mitarbeiter in den vergangenen zehn Jahren bundesweit bei den GPLA rund 2,28 Milliarden Euro Beitragsnachträge einbringen konnten, kamen die Finanzernurauf1,52Milliarden Euro. Im Vorjahr trieben die SV-Prüfer 197,2 Millionen Euro an Nachträgen ein, die Finanzer rund 141,4 Millionen Euro.
Wettbewerb gefragt
„Ich bin ein Anhänger des Wettbewerbs zwischen der Finanz und den Sozialversicherungen“, sagtWGKK-Chefin Reischl. Alleine bei ihrer Krankenkasse würden durch die Aufgaben-Verlagerung zurFinanzetwadieHälfteder 464 Jobs im Bereich Betragseinhebung und -prüfung wegfallen.