Kurier

Besser als das Theater in der Josefstadt: Dörrgemüse

Ernst Lothar. Nach seinem „Engel mit der Posaune“holt „Die Rückkehr“die Stimmung nach dem Krieg zurück.

- VON PETER PISA

Als Ernst Lothar 1946 nach der Flucht vor den Nazis aus Amerika ins geliebte, immer noch geliebte Wien zurückkam, schrie ihn ein Bub an: „Ami, go home!“

Am zweiten Tag sagte der alte Hausdiener im Hotel Bristol zu ihm: „Net amal den Heinrichsh­of, wo der Herr von Slezak g’wohnt hat, ham s’ stehen lassen, die Amerikaner – dös Bombenschm­eiß’n war do nix wia a Barbarei!“

(Lothar ärgerte sich, dass er dem Herrn Steindl nicht geantworte­t hatte, die Bom- ben seien die Konsequenz der Barbarei gewesen.)

Als ihn Bürgermeis­ter Theodor Körner empfing, kam es zu folgendem Dialog: „ Lothar, Lothar? Wo tu i Ihnen gleich hin?“

„Ich war Direktor des Theaters in der Josefstadt.“

„So? Josefstadt? Da hab ich gestern abend ein miserables Stück g’sehn. Aber dafürwaric­hheutfrühb­eietwas wirklich sehr Gutem – einer Dörrgemüse­ausspeisun­g.“

Die Kultur erwacht nach der Katastroph­e ...

Nach dem Erfolg

1.) und 2.) stehen in Lothars Erinnerung­en „Wunder des Überlebens“. Die Körner-Episodefin­detsichine­inemBrief an Kollegen Friedrich Torberg, der noch in den USA blieb. Literaturw­issenschaf­tlerin Dagmar Heißler konnte dieses Schreiben für die Biografie„ErnstLotha­r“(Böhlau Verlag, 60 Euro) verwenden.

Eine graue Eminenz des Theaters ... mit dem im Exil geschriebe­nen Roman „Der Engel mit der Posaune“(1944) hat er den Amerikaner­ndie zwiespälti­genÖsterre­icher näher gebracht, himmlisch und höllisch.

2016 vom Zsolnay Verlag neu aufgelegt, war die Geschichte der Klavierfab­rikantenfa­milie Alt zum zweiten Mal ein Erfolg.

Deshalb erscheint jetzt „Die Rückkehr“, sehr autobiogra­fisch. 1947 wurden nicht viele der gedruckten 19.000 Exemplare verkauft: Man wollte sich nicht auf die Nase binden lassen, aus der Vergangenh­eit wenig gelernt zu haben.

Der Romanheld ist hinund hergerisse­n zwischen Dankbarkei­t gegenüber den Amerikaner­n und Liebe zur Heimat. Die konservier­te Stimmung in der Stadt, in der vieles tot, aber der Nationalso­zialismus lebendig war, ist Hauptgrund, „Die Rückkehr“heute zu lesen.

Es ist – trotzdem – ein Buch des Verzeihens. Lothar, als Kulturbeau­ftragter der US-Armee für die Entnazifiz­ierung der Künstler zuständig, setzte sich sehr dafür ein, dass Karajan, Karl Böhm, Attila Hörbiger ab 1947beiden­Salzburger­Festspiele­n auftreten durften.

Der persönlich­e Lieblingss­atz steht auf Seite 163:

„IchbininWi­en, dachteer und wollte glücklich sein.“ KURIERWert­ung:

 ??  ?? Mitbegründ­er der Salzburger Festspiele, Theaterdir­ektor, Burgtheate­rregisseur, Schriftste­ller: Ernst Lothar (1890–1974)
Mitbegründ­er der Salzburger Festspiele, Theaterdir­ektor, Burgtheate­rregisseur, Schriftste­ller: Ernst Lothar (1890–1974)
 ??  ?? Ernst Lothar: „Die Rückkehr“Nachwort von Doron Rabinovici. Zsolnay Verlag. 431 Seiten. 26,80 Euro.
Ernst Lothar: „Die Rückkehr“Nachwort von Doron Rabinovici. Zsolnay Verlag. 431 Seiten. 26,80 Euro.
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