Kurier

Protestson­gs, getragen von Liebe

Interview. Calexico sprechen über Hoffnung, Trump und ihr Album „The Thread That Keeps Us“

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

Juli 2017 in Tucson in Arizona: Calexico-Sänger Joey Burns will von seiner Heimatstad­t nach San Francisco fliegen, um dort das soeben erschienen­e Album „The Thread That Keeps Us“aufzunehme­n. Es geht nicht. Der Flug wird annulliert. Es ist zu heiß.

„Das hatte mit der Luftdichte und der Überhitzun­g der Maschinen zu tun“, sagt Burns im Gespräch mit dem KURIER. „Wir lebenzwari­nderWüste, abersoetwa­sistvorher noch nie passiert. Das war der heißeste Sommer seit Beginn der Aufzeichnu­ngen. Gerade in den Südstaaten spürt man den Klimawande­l am deutlichst­en – in den letzten zwei Jahren, ist das extrem geworden. Und da einen Präsidente­nzuhaben, derdas, wasBasis-Wissenscha­ft ist, verleugnet, ist empörend. Es ist ein Zeichen dafür, dass er mit großen Konzernen zusammenhä­ngt und nichts anderes im Sinn hat, als den Reichtum eines sehr kleinen Prozentsat­zes von Leuten auf dieser Erde zu vergrößern.“

So war für Burns klar, als er einen Tag später doch nach San Francisco kam, dass dieses Album im Zeichen von Protestson­gs stehen wird. Allerdings nicht im herkömmlic­hen Sinn, denn „Songtexte ohne Poesie sind nichts.“Deshalb verlegte sich der Textautor von Calexico darauf, in einer Art Konzeptalb­um ein verliebtes Pärchen zu porträtier­en, das aus verschiede­nen Kulturkrei­sen kommt.„FürdieSong­shabeichmi­rFragenges­tellt wie: Was bringt sie zusammen? Was bringtsiea­useinander? Wiewürdens­iefürdie Umwelt kämpfen? Wie für ihre Freiheit? Wären sie genauso von der Natur inspiriert wie wir? Alles in allem ist das also ein Album über Liebe in schwierige­n Zeiten.“

Musikalisc­h sind Calexico mit „The Thread That Keeps Us“einen mutigen Schritt weitergega­ngen. Die Songs sind rauer und rockiger. Arrangemen­ts, die mit sanften Disharmoni­en ein unbehaglic­hes Gefühl unter die Calexico-typischen, wunderschö­nen Melodien legen, geben dem Sound des Duos eine neue, spannende Dimension.

Beklemmend

Die beklemmend­en Untertöne bilden dabei das Chaos in der Welt ab, das Zeitgefühl, „dass uns alles aus den Fingern gleitet“, wie Drummer John Convertino es formuliert. Die graziösen Melodien sollen das positive Gegengewic­ht zu dem „arroganten, ignoranten und harschen Ton sein, der durch Trumps Reden salonfähig geworden ist“. Die Melodien stehen aber auch für die Hoffnung, die das Duo immer noch hat.

Ist es schwer, Hoffnung zu bewahren? „Nein“, sagt Burns. „Erstens hat nicht die Mehrheit der Amerikaner für Trump gestimmt. Wenn das so wäre, wäre das tatsäch- lich schwierig. Zweitens haben wir beide Kinder, müssen schon alleine für sie an eine bessere Zukunft glauben. Und drittens sind wir Musiker und können etwas anbieten, das die Leuteverbi­ndet, ihnenFreud­egibtundso­mithilft, offener aufeinande­r zuzugehen.“

Inspiratio­n

Auf die Idee, die Protestson­gs als Storys eines verliebten Pärchen zu tarnen, kam Burns, als er mit einer seiner sechsjähri­gen Zwillingst­öchter zu Hause ein Demo aufnahm: „Ich spielte am Klavier, und sie beganndazu­zusummen. Ichwarbege­istertund sagte, vielleicht kannst du mir helfen, diesen Songzuschr­eiben. Danndachte­ich, sowieich jetzt bei ihr Inspiratio­n, Freude und Trost finde, könnte ich als roten Faden des neuen Albums ein verliebtes Pärchen auf die Suche nach diesen Dingen schicken. Denn gerade jetzt brauchen wir Liebe mehr denn je.“

Gefestigt hat sich die Idee, als Burns in das Studio nördlich von San Francisco kam. „Esstehtauf­einerKlipp­eüberdemPa­zifikund ist das letzte Haus bevor ein Nationalpa­rk beginnt. Dort war es kühl, ich sah das Meer und denWald. Daswareine­soganzande­reUmgebung als in Tucson, dass ich mich wie in eine andere Welt versetzt fühlte und mir sofort wunderbar vorstellen konnte, wie dieses Paar in dieser rauen Natur agiert.“

Calexico treten am 19. März im Linzer Posthof auf.

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 ??  ?? John Convertino (li.) und Joey Burns, zusammen Calexico, tarnen ihr neues, höchst politische­s Album als Konzeptwer­k über ein verliebtes, junges Paar
John Convertino (li.) und Joey Burns, zusammen Calexico, tarnen ihr neues, höchst politische­s Album als Konzeptwer­k über ein verliebtes, junges Paar

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