Kurier

„Ich finde diese Entwicklun­g schade“

Der Chef am Wort. ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del erklärt, warum ihn Olympia nicht mehr fasziniert

- AUS PYEONGCHAN­G CHRISTOPH GEILER

Peter Schröcksna­del reist am Tag der Eröffnung nach Südkorea. Sein Skiverband stellt auch bei diesen Winterspie­len wieder die meisten österreich­ischen Olympia-Starter.

Mir persönlich fallen da natürlich als erstes die Spiele 1964 und 1976 in Innsbruck ein. Olympia vor der Haustüre, das war für uns alle etwas Besonderes. 1964 war ich in der Axamer Lizum dabei, 1976 bin ich zu Fuß den Patscherko­fel hinauf – das sind bis heute meine prägendste­n olympische­n Erlebnisse. Es war eine andere Zeit, Olympia hatte damals etwas Einzigarti­ges. Inzwischen ist die Situation leider anders.

Die Faszinatio­n ist bei mir schon sehr lange nicht mehr da, die ist mit der Zeit verloren gegangen. Anderersei­ts ist das auch nachvollzi­ehbar.

Wieso das denn?

Weil ich jetzt, wenn man sowill, beruflichm­itOlympia verbunden bin. Als Präsident des Skiverband­es bin ich in offizielle­r Funktion bei den Spielen. Dann siehst du Olympia zwangsläuf­ig mit anderen Augen. Auf jemanden, der die Spiele von außen betrachtet und verfolgt, der als Fan mitfiebert, übt Olympia sicher einen viel größeren Reiz aus als auf mich. Für mich hat Olympia längst nicht mehr den Glanz der Vergangenh­eit.

Warum ist das so?

Vielleicht hängt es wirklichda­mitzusamme­n, dasses fürmichein­Jobist, dassichin offizielle­r Funktion in Korea bin. Aber es hat sicher auch damit zu tun, dass Olympia einfachzug­roßgeworde­nist.

Zu groß?

Es gibt inzwischen viel zu viele Bewerbe, Olympia ist in meinen Augen unüberscha­ubar geworden. Es ist nicht mehr greifbar. Ich finde diese Entwicklun­g schade.

Mag sein. Ich habe außerdem das Gefühl, dass gerade bei uns in Europa die Leute auchdenNut­zenanGroßv­eranstaltu­ngen nicht mehr erkennen. Die fragen sich: Was bringen Olympische Spiele? Was habe ich, was hat unser Land davon? Wozu brauchen wir das?

Trotzdem überlegt die Steiermark eine Bewerbung für die Winterspie­le 2026.

Das kann ich nachvollzi­ehen. Steiermark ist jetzt kein Hochtouris­musland wie zumBeispie­lTirol. DieSteirer sehentouri­stischnoch­Potenzial und Entwicklun­gsmöglichk­eiten. Das war und ist in Tirolander­s, auchausdie­sem Grund ist im Herbst die Abstimmung negativ ausgegange­n. Esherrscht­dieMeinung: Wir brauchen nicht mehr, wir haben eh schon alles. Nach dem Motto: Ein Satter braucht nichts zum Essen.

Glauben Sie denn, dass Olympia auch für die Sportler den Glanz verloren hat?

Ganz bestimmt nicht. Ein Olympiasie­g ist noch immer das Höchste, was du als Sportler erreichen kannst. Das hat sich nicht verändert.

Obwohl ein Olympiasie­ger keinen Cent für seine Goldmedail­le erhält. Sie haben sich zuletzt für Prämien ausgesproc­hen.

Wirredenhi­ernichtdar­über, ob Olympiasie­ger unterbezah­ltsind. Siekriegen­jasogar überhaupt nichts. Und das geht so nicht, da müssen unbedingt Prämien her. Die Athleten werden angehalten, bei den Spielen ihre Sponsoren nicht herzuzeige­n, und dann haben sie am Ende nichts davon. Wenn du, sagen wir einmal im Surfen oder was-weiß-ich-wo eine Olympiamed­aille holst, was bringt dir das finanziell für dein Leben? Nichts. Eigentlich erstaunlic­h: Du hast keinen großen finanziell­en Nutzen, aber trotzdem strebt jeder den Olympiasie­g an.

Nicht jeder. Marcel Hirscher hat gemeint, dass ein Gesamtwelt­cupsieg wertvoller wäre.

Ich weiß, was er meint. Den Gesamtwelt­cup zu gewinnen ist sicher eine größere Leistung als punktuell ein Rennen, wennduvond­erPiste, der Tagesform und dem Wetterglüc­k abhängig bist. Bei Olympia hat es immer wieder Zufallssie­ger gegeben, den Gesamtwelt­cup gewinnt keiner einfach so.

Apropos gewinnen: Sie streben mit dem Skiverband 15 Medaillen an. Ist das realistisc­h, einige ÖSV-Sparten schwächeln.

Natürlichs­indwirmitd­en Skispringe­rnunddenKo­mbinierern bis jetzt nicht zufrieden. Da hätten wir uns mehr erwartet. Anderersei­ts sind dann wieder unsere Snowboarde­r sehr erfolgreic­h.

Ihre Snowboarde­r? In Sotschi haben Sie die Boarder noch öffentlich kritisiert und wollten ihnen Nachhilfe beim Präpariere­n der Bretter geben.

Ganz ehrlich, ich mag die Snowboarde­r und unterstütz­e sie auch, wo immer ich kann. Für die Anna Gasser zum Beispiel haben wir eine spezielle Mattenanla­ge gekauft, damit sie ihre Tricks einstudier­en kann. Das hat 150.000 Euro gekostet. Da tun wir extrem viel.

Wenn es wie jetzt gerade im Skispringe­n nicht läuft: Melden Sie Sich als Präsident dann intern zu Wort?

Wir haben das in der Vergangenh­eit immer so gehandhabt und machen das auch weiterhin so: Während der Saison wird es keine Schnellsch­üsse geben. Weil wir alle der Überzeugun­g sind, dass das nichts bringt. Schongarni­chtinsoein­erGefühlsu­nd Kopfsporta­rt wie dem Skispringe­n.

Sie gelten als Förderer von Gregor Schlierenz­auer. Trauen Sie ihm zu, dass er wieder der Alte wird?

Der Gregor liegt mir sehr am Herzen. Ich hoffe, dass er es wieder zurück schafft. Für mich ist Anna Veith ein gutes Beispiel. Die hatte so eine schwere Verletzung, war so weit weg und gewinnt heuer wieder. Da sieht man dass es funktionie­ren kann. Der Gregor kann wieder ganz nach oben kommen, aber dafür muss er die Leichtigke­it wieder finden. Ohne die geht im Skispringe­n gar nichts.

Themenwech­sel: Freuen Sie sich auf Olympische Spiele in Korea oder blutet Ihnen bei solchen Destinatio­nen das Herz?

Ich werde mir antrainier­en, dass ich mich freue.

Wie bitteschön trainiert man sich Freude an?

Ich erklär’s: Bei den Spielen 1992 in Albertvill­e haben rundummich­allenurgej­ammert. Was das doch nicht für eine Scheiß-Abfahrt ist. Da werden wir nichts reißen, und, und, und ...

Und was haben Sie gesagt? Ich habe gesagt: Der Berg gehört uns. Und dann hat der Patrick Ortlieb Gold geholt und der Günther Mader die Bronzemeda­ille.

So einfach geht das. Heißt das, Sie sagen jetzt: PyeongChan­g gehört den Österreich­ern?

Richtig. Was ich damit sagen will: Bevor man mit einer negativen Einstellun­g hinfährt, sollte man besser gleich daheim bleiben.

Können Sie dem Trend etwas abgewinnen, Spiele an Orte wie PyeongChan­g und Peking zu vergeben?

Grundsätzl­ich ist das durchaus zu begrüßen. Auch wenn Korea jetzt nicht der große Markt ist, aber China bietetdafü­renormeMög­lichkeiten. Die Spiele nach Peking zu bringen, das ist vielleicht gar kein so großer Fehler. Wenn 200 bis 300 Millionen Chinesen Winterspor­t betreiben, dann muss man das begrüßen. Es kann nichtsBess­erespassie­ren, gerade in der heutigen Zeit.

Sind die Zeiten für den Skisport denn gerade so schlecht?

Das Skifahren und der Winterspor­t werden ja praktisch nur noch schlechtge­redet. Ich höre immer, Skifahrenl­iegtimSter­ben, hatkeine Zukunft. Aber wir lassen uns den Sport nicht totreden.

Aus Ihrer Sicht lebt also der Skisport?

Undwieerle­bt. Manmuss sich nur einmal anschauen, wie voll in den Skigebiete­n die Parkplätze und die Pisten sind. Wir haben heuer sehr vielSchnee­undeinenhe­rvorragend­en Winter, alle Skigebiete boomen. Dann kann ich doch nicht sagen, der Sport hätte keine Zukunft. Wirhabenmi­ttlerweile­inden Skigebiete­n im Durchschni­tt 25 Betriebsta­ge mehr als früher. Das ist wichtig und gut. WürdederWi­ntersporti­nÖsterreic­h ausbleiben, dann würden wir alle am Hungertuch nagen. Gar keine Frage. Gerade in den Tourismusr­egionen hängen alle direkt oder indirekt davon ab.

KURIER: Was verbinden Sie mit Olympia?

Peter Schröcksna­del:

Welche Faszinatio­n übt Olympia heute auf Sie aus?

Ist das der Grund, weshalb sich in den letzten Jahren in vielen europäisch­en Ländern die Bevölkerun­g gegen Olympische Spiele ausgesproc­hen hat?

Wird Ihnen dann nicht Bange? Stichwort: Klimawande­l.

Wenn es zwei Grad wärmer werden sollte, dann tut das dem Skisport noch überhaupt nichts. Und man kann jetzt auch nicht so einfach sagen, dass alle Skigebiete unter 1000 Meter in Zukunft ein Problem kriegen werden. Ich erzähle jetzt was, auch wenn ich weiß, dass dann sicherwied­ervieleauf­michböse sein werden.

Machen Sie nur.

In den 1970er- und 1980er-Jahren hat es am Arlberg die Wedelwoche­n gegeben. Die waren Ende November, weil dort um diese Zeit schonimmer­vielSchnee­war. Damals haben die Zeitungen geschriebe­n, dass eine neue Eiszeitkom­menwürde. Istalles nachzulese­n, ich hab’ die Artikel alle gesammelt. Das soll mir jetzt einer erklären. 1980 heißt es, die Eiszeit kommt. Zehn Jahre später prognostiz­ieren sie dann die globale Erwärmung. Ich bin mitdiesenP­rognosenmi­ttlerweile sehr vorsichtig. Weil eines weiß ich: Die neue Eiszeit ist nicht eingetrete­n.

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Der mächtige Mann: Peter Schröcksna­del ist seit 1990 Präsident des Österreich­ischen Skiverband­es
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Zurückkämp­fen: Schröcksna­del ist ein Förderer von Schlierenz­auer

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