Zwist befeuert Vorurteile
Politologe. SPD muss Gräben wieder schließen
KURIER: In der SPD ist der Machtkampf eskaliert: Sigmar Gabriel kritisiert beleidigt die Partei-Spitze, weil Martin Schulz das Außenministerium übernehmen wollte. Jetzt hat dieser doch verzichtet. Welche Folgen hat das alles? Thorsten Faas: Die alte Spitze der SPD gibt in der Tat ein schlechtes Bild ab. Das ist in jedem Fall Wasser auf die Mühlen derer, die fordern, die „SPD zu erneuern“. Es hat aber potenziell weitergehende Folgen: Mit einer populistischen AfD als führende Oppositionspartei bedient der Streit natürlich auch genau die Vorwürfe, die von dieser Seite immer wieder vorgebracht werden.
Wie zum Beispiel die Vorurteile, es gehe Politikern eigentlich nur um sich selbst.
Die Gefahr besteht natürlich, weil auch in der Union ja durchaus ähnliche Debatten geführt werden. Man muss allerdings auch sagen, dass die Art und Weise, wie wir alle über die Koalitionsverhandlung sprechen – wer hat gewonnen? Wer hat verloren?– dieseszynischePolitikbild ebenfalls befeuert. Dass es ohne Kompromisse nicht geht, kommt immer zu kurz.
Wie kommt die SPD aus dem Chaos wieder heraus?
Klarist: Esmussgelingen, die Gräben zu schließen und auch die Kritiker am Ende wieder mitzunehmen. Dafür ist der Mitglieder-Entscheid aber potenziell kontraproduktiv, weil er vielleicht – je nach Ausgang – den Riss durch die Partei noch mal sehr deutlich machen könnte.
Inwiefern können die aktuellen Turbulenzen den anstehenden Mitglieder-Entscheid beeinflussen, oder sind die Kritiker nach Schulz' Abgang besänftigt?
DieBasisistdiegroßeUnbekannte. Die Geschehnisse der letzten Woche schaffen gleichwohl auch parteiintern Möglichkeiten für die Kritiker. Allerdings dürften viele Mitglieder auch überlegen, dassdieGroKodasinsgesamt kleinere Übel sein könnte. Trotzdem: Es bleibt spannend.
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Thorsten Faas ist Wahlforscher und Professor für Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland am OttoSuhr-Institut für PolitikwissenschaftanderFreienUniversität Berlin.