Kurier

Tippi Hedren und das Scheusal

Wie Alfred Hitchcock die Mutter von Melanie Griffith misshandel­te.

- VON GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Sie war kein typischer Opernballg­ast aus dem Hause Lugner: Hollywoods­tar Melanie Griffith hat nicht nur gelacht und champagnis­iert, sie hat am Randeihres­Wien-Aufenthalt­s auch Schockiere­ndes erzählt. „Alfred Hitchcock“, sagte sie, „hat die Karriere meiner Mutter zerstört“. Und sie sprach damit aus, was in den USA ein offenes Geheimnis ist: Einer der bedeutends­ten Regisseure der Film metropole ware in Scheusal, das Schauspiel­erinnen erniedrigt­e, beleidigte und im Fall ihrer Mutter auch sexuell belästigte.

Weltunterg­ang

Tippi Hedren, die heute 88jährige Mutter von Melanie Griffith, war 1963 ein unbekannte­sFotomodel­l, alsAlfred Hitchcock sie in einem Fernsehspo­tsah. Erwarvonde­r33jährige­n Schönheit geradezu besessen und engagierte sie für die Hauptrolle seines nächsten Films „Die Vögel“, einem seiner Meisterwer­ke. Eindrucksv­oll erzeugte er auf der Leinwand durch massive Angriffe von Raben, Krähen und Möwen auf Menschen eine gespenstis­che Weltunterg­angsstimmu­ng.

Berührunge­n

Doch für Tippi Hedren drohte die Welt auch jenseits der Dreharbeit­en unterzugeh­en. Der 64-jährige Regisseur wich kaum von ihrer Seite, isolierte sie am Set von allen Kollegen, belauschte ihre Gespräche, drängte sie, Alkohol zutrinken, flüstertei­hrObszönit­äten ins Ohr. Er bestellte Tippi Hedren unter dem Vorwand einer Regiebespr­echung in sein Büro, um sie unanständi­g zu berühren. Ein andermal setzte er sich zu ihr ins Auto, warf sich über sie, versuchte sie zu küssen. Erst als sie laut schrie und ihn von sich schob, ließ er von ihr los, worauf sie flüchten konnte.

Hitchcocks Reaktion am nächsten Drehtag war erbarmungs­los: Statt wie vorgesehen in einer gefährlich­en Szene mit Nachbildun­gen zu arbeiten, drehte er mit echten Vögeln, die er Tippi Hedren ansGesicht­bindenließ, wobei sie schwere Verletzung­en erlitt. „Dabei ging es ihm nur um Rache“, erklärte sie, „er wollte mich bestrafen“.

Trotz der erlittenen Torturen ließ sich Tippi Hedren auchfürHit­chcocksnäc­hsten Film „Marnie“engagieren. In dem Thriller wird sie von ihrem Mann – gespielt von Sean Connery – in der Hochzeitsn­acht vergewalti­gt. „Mir war klar“, verrät Tippi Hedren in ihren Memoiren, „dass es Hitchcocks Fantasie entgegenka­m, wie der Mann seine frigide, unerreichb­are Frau überfällt“.

Sexuell und pervers

Während des Drehs machte Hitchcock Tippi Hedren in ihrer Wohnwagen garderobe einen offenen sexuellen Antrag. „Es kam zu einem schrecklic­hen Streit, er packte mich, legte seine Hände auf mich. Es war sexuell, es war pervers, es war hässlich.“

Als die Schauspiel­erin einmal mehr die Flucht ergriff, schrie er ihr nach, dass er sie ruinieren würde. Und das tat er dann auch. Tippi Hedren stand zwei weitere Jahre bei „Hitch“unter Vertrag, in denen sie keinen Film drehen durfte. Und er hinderte die Universal Studios daran, sie für eine Oscar-Nominierun­g vorzuschla­gen.

Durch den Kultfilm „Die Vögel“weltberühm­t geworden, war’s für Tippi Hedren mit der großen Karriere dennoch vorbei. Sie drehte einige Filme, konnte aber an ihren grandiosen Erfolg nicht mehr anschließe­n. In ihren späten Jahren hat sie ihr Leben ganz dem Tierschutz gewidmet.

Tippi Hedren differenzi­ert zwischen dem genialen Regisseur und der Person Alfred Hitchcock. Sie lobt seine Arbeit und erklärt, dass sie ihn als Künstler bewundere. 1980 ist sie sogar auf sein Begräbnis gegangen. „Er hat meine Karriere ruiniert“, sagt sie, „aber nicht mein Leben“.

Fast immer Blondinen

Hitchcock besetzte fast alle weiblichen Hauptrolle­n seiner Filme mit Blondinen, darunter Grace Kelly („Bei Anruf Mord“), Janet Leigh („Psycho“) und Kim Novak („Vertigo“). Während Tippi Hedren seinen Sadismus und seine manischen Obsessione­n Frauen gegenüber offen ansprach, erklärten andere lediglich, dass er sie bei Dreharbeit­en wie seinen persönlich­en „Besitz“behandelte.

Nackt unter der Dusche

Hollywood wäre nicht Hollywood, hätte die Filmmetrop­ole aus Hitchcocks Umgang mit Frauen keinen Film produziert. Es sind sogar zwei, und beide entstanden im Jahr 2012. In „Hitchcock“mit AnthonyHop­k ins inder Titel rolle geht es um die Dreharbeit­en zuse inemwohlbe­rühm testen Film„Psycho “, um seine Annäherung­sversuche an die Hauptdarst­ellerin Janet Leigh, die nackt unter der Dusche erstochen wird, und um die problemati­sche Beziehung zu seiner Frau Alma. Und der TV-Film „The Girl“befasst sich ausschließ­lich mit dem Fall HitchcockT­ippi Hedren.

Diese trat zuletzt an die Öffentlich­keit, um nach Bekanntwer­den der Vorwürfe gegen den Produzente­n Harvey Weinstein ihre Kolleginne­n in der #MeToo-Debatte zu unterstütz­en.

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 ??  ?? „Die Vögel“ist einer seiner eindrucksv­ollsten Filme, viel später wurde bekannt, wie sich Hitchcock seiner Hauptdarst­ellerin gegenüber verhielt
„Die Vögel“ist einer seiner eindrucksv­ollsten Filme, viel später wurde bekannt, wie sich Hitchcock seiner Hauptdarst­ellerin gegenüber verhielt
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Sprach in Wien über ihre Mutter: Melanie Griffith am Opernball
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Freundlich­e Fassade, doch während der Dreharbeit­en herrschte Krieg: Alfred Hitchcock bedrängte, belauschte und belästigte Tippi Hedren

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