Tippi Hedren und das Scheusal
Wie Alfred Hitchcock die Mutter von Melanie Griffith misshandelte.
Sie war kein typischer Opernballgast aus dem Hause Lugner: Hollywoodstar Melanie Griffith hat nicht nur gelacht und champagnisiert, sie hat am RandeihresWien-Aufenthalts auch Schockierendes erzählt. „Alfred Hitchcock“, sagte sie, „hat die Karriere meiner Mutter zerstört“. Und sie sprach damit aus, was in den USA ein offenes Geheimnis ist: Einer der bedeutendsten Regisseure der Film metropole ware in Scheusal, das Schauspielerinnen erniedrigte, beleidigte und im Fall ihrer Mutter auch sexuell belästigte.
Weltuntergang
Tippi Hedren, die heute 88jährige Mutter von Melanie Griffith, war 1963 ein unbekanntesFotomodell, alsAlfred Hitchcock sie in einem Fernsehspotsah. Erwarvonder33jährigen Schönheit geradezu besessen und engagierte sie für die Hauptrolle seines nächsten Films „Die Vögel“, einem seiner Meisterwerke. Eindrucksvoll erzeugte er auf der Leinwand durch massive Angriffe von Raben, Krähen und Möwen auf Menschen eine gespenstische Weltuntergangsstimmung.
Berührungen
Doch für Tippi Hedren drohte die Welt auch jenseits der Dreharbeiten unterzugehen. Der 64-jährige Regisseur wich kaum von ihrer Seite, isolierte sie am Set von allen Kollegen, belauschte ihre Gespräche, drängte sie, Alkohol zutrinken, flüsterteihrObszönitäten ins Ohr. Er bestellte Tippi Hedren unter dem Vorwand einer Regiebesprechung in sein Büro, um sie unanständig zu berühren. Ein andermal setzte er sich zu ihr ins Auto, warf sich über sie, versuchte sie zu küssen. Erst als sie laut schrie und ihn von sich schob, ließ er von ihr los, worauf sie flüchten konnte.
Hitchcocks Reaktion am nächsten Drehtag war erbarmungslos: Statt wie vorgesehen in einer gefährlichen Szene mit Nachbildungen zu arbeiten, drehte er mit echten Vögeln, die er Tippi Hedren ansGesichtbindenließ, wobei sie schwere Verletzungen erlitt. „Dabei ging es ihm nur um Rache“, erklärte sie, „er wollte mich bestrafen“.
Trotz der erlittenen Torturen ließ sich Tippi Hedren auchfürHitchcocksnächsten Film „Marnie“engagieren. In dem Thriller wird sie von ihrem Mann – gespielt von Sean Connery – in der Hochzeitsnacht vergewaltigt. „Mir war klar“, verrät Tippi Hedren in ihren Memoiren, „dass es Hitchcocks Fantasie entgegenkam, wie der Mann seine frigide, unerreichbare Frau überfällt“.
Sexuell und pervers
Während des Drehs machte Hitchcock Tippi Hedren in ihrer Wohnwagen garderobe einen offenen sexuellen Antrag. „Es kam zu einem schrecklichen Streit, er packte mich, legte seine Hände auf mich. Es war sexuell, es war pervers, es war hässlich.“
Als die Schauspielerin einmal mehr die Flucht ergriff, schrie er ihr nach, dass er sie ruinieren würde. Und das tat er dann auch. Tippi Hedren stand zwei weitere Jahre bei „Hitch“unter Vertrag, in denen sie keinen Film drehen durfte. Und er hinderte die Universal Studios daran, sie für eine Oscar-Nominierung vorzuschlagen.
Durch den Kultfilm „Die Vögel“weltberühmt geworden, war’s für Tippi Hedren mit der großen Karriere dennoch vorbei. Sie drehte einige Filme, konnte aber an ihren grandiosen Erfolg nicht mehr anschließen. In ihren späten Jahren hat sie ihr Leben ganz dem Tierschutz gewidmet.
Tippi Hedren differenziert zwischen dem genialen Regisseur und der Person Alfred Hitchcock. Sie lobt seine Arbeit und erklärt, dass sie ihn als Künstler bewundere. 1980 ist sie sogar auf sein Begräbnis gegangen. „Er hat meine Karriere ruiniert“, sagt sie, „aber nicht mein Leben“.
Fast immer Blondinen
Hitchcock besetzte fast alle weiblichen Hauptrollen seiner Filme mit Blondinen, darunter Grace Kelly („Bei Anruf Mord“), Janet Leigh („Psycho“) und Kim Novak („Vertigo“). Während Tippi Hedren seinen Sadismus und seine manischen Obsessionen Frauen gegenüber offen ansprach, erklärten andere lediglich, dass er sie bei Dreharbeiten wie seinen persönlichen „Besitz“behandelte.
Nackt unter der Dusche
Hollywood wäre nicht Hollywood, hätte die Filmmetropole aus Hitchcocks Umgang mit Frauen keinen Film produziert. Es sind sogar zwei, und beide entstanden im Jahr 2012. In „Hitchcock“mit AnthonyHopk ins inder Titel rolle geht es um die Dreharbeiten zuse inemwohlberühm testen Film„Psycho “, um seine Annäherungsversuche an die Hauptdarstellerin Janet Leigh, die nackt unter der Dusche erstochen wird, und um die problematische Beziehung zu seiner Frau Alma. Und der TV-Film „The Girl“befasst sich ausschließlich mit dem Fall HitchcockTippi Hedren.
Diese trat zuletzt an die Öffentlichkeit, um nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Produzenten Harvey Weinstein ihre Kolleginnen in der #MeToo-Debatte zu unterstützen.